Die Zensur macht es Giuseppe Verdi und seinem Librettisten Francesco Maria Piave schwer, das Werk nach dem Roman von Victor Hugo „Le roi s´amuse“ zu verwirklichen. Schon am Titel stritten sich die Geister, weltlich und geistlich. So kam der Titel „Der Fluch“ nicht zustande. Der Fluch des Monterone ist eine Schlüsselstelle der Oper. Nicht über Rigoletto aber über den Inszenierungen dieses Werkes an der bayerischen Staatsoper lastet ein Fluch. Flogen bei der Inszenierung von Doris Doerrie Bananen, weil sie den Hofstaat des Herzog von Mantua zu Affen machte, so fehlt der aktuellen Inszenierung von Arpad Schilling aus 2012 jegliche Originalität und Personenregie. Edel und monoton ist die Bühnen- und Kostümgestaltung von Marton Agh. Eine überdimensionierte Holztribüne, in der Mitte teilbar, fasst den Abend über den großen Chor und Statisten, alle in hellen Sommeranzügen gesteckt, der das Geschehen um die Protagonisten beobachtet und begleitet. Mal fällt im gleissenden hellen Licht ein langer weisser Vorhang von oben herab, mal schliesst sich der prunkvolle Saalvorhang der bayerischen Staatsoper und es wird auf einem Podest über dem Souffleurkasten stehend gesungen. So gehört der Abend dieser Wiederaufnahme den Sängern, die allesamt mit ihrer Leistung und Rollengestaltung überzeugen.
Benjamin Bernheim hat sich in den letzten Jahren innerhalb kurzer Zeit zu einem der gefragtesten lyrischen Tenöre entwickelt. Viel Lob seitens der Presse und eine hohe Anerkennung beim Publikum ließen die Spannung auf sein Rollendebüt als Duca di Mantova in München steigen. Der junge Schweizer startet gleich zu Beginn mit viel Ausdruck, gehaltvollen Tönen und Präsenz. Seine Stimme ist wunderbar weich unterlegt, mit einem großen Stimmumfang bis in die Höhe sicher und klar. Die Töne setzt er exakt von oben auf und ohne Druck öffnet er sein Volumen und zieht gefühlvoll die Melodiebögen zur großen Freude des Publikums. Hier zeichnet sich eine grosse Karriere ab. Seine berühmte Arie „ La donna e mobile“ kostet er und das Publikum bis in die Spitzentöne aus. Entspannt kann gelauscht werden, ohne Angst vor dem nächsten hohen Ton. Auch optisch erfüllt er die Anforderungen an den jungen schönen Geliebten von Rigolettos Tochter Gilda. Auch hier macht eine junge Sängerin auf sich aufmerksam, die bereits an vielen großen Häusern aufgetreten ist. Die Amerikanerin Erin Morley wirkt zart und eher gebrechlich, anschmiegsam schüchtern zeichnet sie eine von Liebe entrückte wohl behütete Tochter. In Jeans und Pullover ist sie ein moderner Teenie. Ausnehmend leicht gelingen ihr die schwierigen Triller, die immer wieder in ihre Arien hineingeflochten sind. Manch hoher Ton sitzt unsicher aber sie zeigt, dass sich ausreichend Stimmumfang bis in die Spitzentöne hat und flexibel in der Stimme für gesetzte Nuancen ist.
Den Titelhelden mit der anspruchsvollen Aufgabe liebevoller Vater und beißend süffisanter, auch böswilliger Hofnarr zu sein, obliegt Ludovic Tezier, der hier schon in verschiedenen Rollen überzeugte. Ohne Buckel im hellen Sommeranzug oder zum Schlussbild im Frack ist die Rolle von der Regie verfremdet, umso mehr liegt es an dem Sänger ein Rollenbild zu zeichnen. Die Lyrik, die Liebe und die flehende Wehmut und Sorge um die Tochter liegen dem lyrischen mächtig mit Timbre unterlegten Bariton mehr als die dramatischen Auftritte vor dem Hofstaat oder gegenüber Monterone. Legati, weiche crescendi und piani versteht er mit Gefühl zu gestalten und einen Schuss Tristesse in die Färbung zu legen. Auch ohne Intimität auf der grossen leeren Bühne kann er berühren.
Paolo Carignani macht es den Sängern mit Volumen und Tempo im Orchestergraben nicht leicht. Blech und Schlagzeug spielen mächtig in ersten Bild auf, aber im Laufe des Abends zieht er sich zurück, setzt aber weiter auf Dramatik und Steigerung und folgt nicht den Sängern, die auf Gefühl und Ritardando in ihrer Lautmalerei setzen. Aber es fügt sich zusammen und das Publikum ist am Ende begeistert und bejubelt seine neuen Lieblinge.
08. November 2019 | Drucken
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