Turandot, Arena di Verona: Anna Netrebko Die göttliche Prinzessin im Mondlicht

Xl_05197be4-f134-43e6-8bb1-3ee679354664 © Tatjana Strebel

Giacomo Puccini Turandot Arena di Verona 10.August 2022

Anna Netrebko Die göttliche Prinzessin im Mondlicht

Opernvergnügen als besonderes Erlebnis, dafür steht die Arena von Verona seit nunmehr 99 Saisonen. Das bestens erhaltene römische Amphitheater bietet publikumswirksame Opernaufführungen mit Breitenwirkung auf hohem musikalischen Niveau. Die alljährlich stattfindenden Festspiele waren Wegbereiter für die zahlreichen Open Air Veranstaltungen, die mittlerweile nicht mehr aus dem Kulturkalender wegzudenken sind.

Der italienische Regisseur Franco Zeffirelli erreichte internationale Popularität mit seinen einfühlsamen Shakespeare Verfilmungen sowie aufwendigen Operninszenierungen. Die Arena von Verona verdankt ihm zahlreiche Schöpfungen, die sich über Jahrzehnte im Spielplan wiederfinden. So auch seine beim Publikum beliebte Schöpfung von Giacomo Puccinis Turandot.

Im Ursprung ist Turandot eine persische Prinzessin die ihre Freier mit scheinbar unlösbaren Rätseln konfrontiert und köpfen lässt. Die Handlung wurde vom italienischen Dichter Carlo Gozzi im gleichnamigen Theaterstück nach China verlegt, welches die Vorlage für das Libretto der Oper diente. Die Oper blieb unvollendet, da Puccini 1924 an Kehlkopfkrebs während einer Behandlung in Brüssel verstarb. Das Finale der Oper nach dem Tod der Sklavin Liu lag in Skizzen vor. Immer wieder werden neue Versionen des Opernende vorgestellt. Die gängigste ist die im Auftrag von Arturo Toscanini entstandene von Franco Alfano. Die Uraufführung der Oper mit dessen Finale fand 1926 an der Mailänder Scala statt.

Franco Zeffirelli entführt die Zuschauer in das lebendige Straßenbild in Peking vor den Mauern des Kaiserpalasts. Der gross besetzte Chor tummelt sich in einfacher dunkler Einheitskleidung, Drachen sind an der Palastwand aufgemalt, Lampions werden als Lichterquellen herumgetragen. Die kaiserlichen Diener Ping, Pang und Pong heben sich mit kostbaren Kostümen in kräftiger Farbe ab.

Einen Szenenapplaus der Begeisterung erfährt das Bühnenbild im zweiten Akt, wenn sich die Palasttore öffnen und sich ein prachtvoller Blick in den prunkvollen Innenhof mit Freitreppe und goldenen Pavillons bietet. Ein Horde von Statisten in vielen unterschiedlichen edlen bunten Uniformen belebt das über die gesamte Breite geformte Bild. Die eiskalte Prinzessin sticht mit weitem Umhang und überlangen Fingernägeln heraus. Aber nicht nur Bilder konnte Meister Zeffirelli entwerfen sondern er verstand auch die vielen Personen auf der Bühne zu führen, dass sich alles natürlich und stimmig anfühlte und insbesondere nie statisch. Auch für die handelnden Protagonisten konnte er die nötige herausstechende Aufmerksamkeit herausschälen und deren Intimität sichern. Der Abend ist szenisch große Kunst und eine optische Augenweide für Freunde traditioneller Opernregie.

Musikalisch sind die Erwartungen und die Vorfreude bei den tausenden Besuchern hoch mit Anna Netrebko in der Titelrolle. Die Russin mit der unverkennbaren außergewöhnlichen Stimme erfüllt diese mit einer emotional ausgefeilten und farblich ausgefüllten Interpretation. Ihre schicksalshafte Erzählung und ihre Rätsel erreichen die ehrfurchtsvolle abschreckende Wirkung. Der Schreck der erfolgreichen Lösung berührt und die Erkenntnis der Liebe reisst mit. Die Präsenz der Stimme über Chor und Orchester ohne Druck oder Kraft ist beispiellos. Ihr Gatte Yusif Eyvazov steht als heldenhafter mutiger Prinz Calaf an ihrer Seite. Der erlösende Kuss wird zum familiären medialen Auftritt und zur wirkungsvoll langen Pause. Stimmlich präsentiert er sich in bester Form und überzeugt in lyrischer farbenreicher Melodieführung und klarer Wortverständlichkeit und lässt Kritik verstummen. Seine große Arie, der Welthit Nessun dorma gelingt mit Gefühl und Ausdruck, die kraftvoll sichere Höhe geht in einen Sturm von Bravo unter. Gerührt wiederholt er die Arie zur großen Begeisterung. Ruth Iniesta wirkt in ihrer Darstellung und Interpretation der liebevollen treuen Sklavin Liu ebenso überzeugend. Ihre Arie über die Liebe bannt und strahlt kraftvoll. Riccardo Fassi ist ein gefasster Timur. Gezim Myshketa ist ein würdiger starker Kanzler Ping, Matteo Mezzaro als Pong und Riccardo Rados als Pang sind zwei verspielte gesanglich sichere Kollegen.

Marco Armiliato zeigt am Pult des großen Orchesters der Fondazione Arena di Verona seine Routine und Erfahrung. Er führt die Musiker und insbesondere die unzähligen Mitglieder des Chores sicher und behält den Schwung und die Spannung im Auge. Die Expressivität und Modernität der Partitur kommt voll zu Gehör wie auch die lyrischen veristischen Gegensätze.

Ein Abend für optische Genießer und anspruchsvolle Zuhörer geht erfolgreich bei romantischer Untermauerung durch einen hell leuchtenden Vollmond zu Ende.

Viel Beifall und Begeisterung

Dr. Helmut Pitsch

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