Bayerisches Staatsorchester 4. Akademiekonzert Nationaltheater München 19.4.2024
Unbekanntes von Bekannten, beeindruckend serviert vom Bayerischen Staatsorchester
Drei selten gespielte bis unbekannte Werke von umso bekannteren Komponisten stehen auf dem Programm des Bayerischen Staatsorchesters unter der Führung seines Generalmusikdirektors Vladimir Jurowski. Die Vielfalt dieser Entdeckungsreise auf höchstem musikalischem Niveau verwundert umso mehr, als die ausgewählten Werke nicht ihren Weg in die Konzertsäle gefunden haben.
Arnold Schönbergs Begleitungsmusik zu einer Lichtspielszene op. 34 ist eine Auftragsarbeit ohne konkrete Vorgabe. So schuf Schönberg ein Passpartout, das sich den Stimmungen drohende Gefahr, Angst und Katastrophe widmet. Der Begründer der Zwölftonmusik experimentiert geschickt mit der Ausdruckskraft seiner Polyphonie, mischt Spannungspausen mit Rhythmik, reichert Steigerungen durch farbliche Abstufungen an und das aufgebaute Volumen entladet sich als fragile Katastrophe. Am 6.11.1930 fand die Uraufgeführung in Berlin unter Otto Klemperer statt, dem Publikum gefiel es überraschend gut, wie auch an diesem Abend. Vladimir Jurowski dirigiert das ca 10 minütige Werk in gewohnt fließenden Handbewegungen und löst so auch die spröde Wirkung des Werkes und vermittelt nahezu weiche Melodien, immer wieder hält er inne, fordert Piani und vermeidet übertriebene Stilelemente.
Ottorino Respighi ist der Erneuerer der italienischen Moderne. Gegenüber seinem Zeitgenossen Schönberg ist er in den Regeln der Klassik verhaftet. Er studiert intensiv die Werke der großen Komponisten von Monteverdi bis Wagner und findet seinen eigenen Stil. Seine berühmten Werke Pini di Roma und Fontane di Roma stehen für seine Fähigkeiten Naturstimmungen in Musik umzusetzen. In seinem 1921 entstandenen Concerto gregoriano für Violine und Orchester sucht er die Anlehnung an die mittelalterliche Musik, zumeist sakrale Gregorianik. In deren Tradition steht der erste Satz mit ausgeprägtem Thema und solistischen Bravoureinlagen, im zweiten Satz wird es frischer, symphonische Breite entsteht mit bildhaften Impressionen auf Vorlage der österlichen Gesänge. Im Finalsatz, Alleluja überschrieben, wird es schwungvoll feierlich.
Der deutsche Geiger Frank Peter Zimmermann ist der geforderte Solist, der mit bester Technik, aber insbesondere klarer, genauer Stimm- und Bogenführung überzeugt. in seinen ausgedehnten Soliparts, aber auch im Zusammenspiel mit Solisten aus dem Orchester, zeigt er sein Einfühlungsvermögen und Können. Den großen Beifall belohnt er mit einer makellosen Sarabande h moll von Johann Sebastian Bach.
Johannes Brahms widmete sich erst spät seinen Symphonien, zu hoch stufte er die Anforderungen ein. Doch erste Orchesterwerke bestätigen seine kompositorische Reife. In der Serenade Nr. 1 D-Dur op. 11, ursprünglich für ein Nonett 1857 entstanden, schafft er 1859 in der Orchestrierung für Orchester eine verkappte erste Symphonie. Die Serenade, eine Kultform der Wiener Klassik, mit einer Dauer von über 40 Minuten und einem Umfang von sechs Sätzen ist abwechslungsreich gestaltet, beeindruckt mit motivischer Vielfalt und lässt bestens den eigenen Stil des reifen Brahms erkennen, finden sich verschiedene Themen in späteren Werken wieder. Leicht beweglich, nahezu tänzerisch und folkloristisch ist die Musik, in zwei Scherzi und zwei Menuetti entführt das Orchester charmant in klassische Sphären, und kehrt mit Fülle und Klangpracht in die Romantik zurück. Sein Generalmusikdirektor vermag aus dem Werk ein farbenreiches Feuerwerk mannigfaltiger Klänge entwickeln, schöpft aus den Rhythmen und lässt trotz klarem strengen Taktschlag auch Variationen in Rhythmik und Volumen zu.
Das Werk eröffnet so unterhaltsam Zugang zum großen symphonischen Werk des Romantiker Johannes Brahms, der gegenüber seinen Zeitgenossen Anton Bruckner und Richard Wagner in der Fortführung der klassischen Ansätze verblieb.
Dr. Helmut Pitsch
20. März 2024 | Drucken
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