(Un)bewusst größte Lust- Thielemann verzaubert Tristan in Dresden

Xl_e4c3c37c-c386-4092-be16-f1d4cfc8d434 © Helmut Pitsch

Richard Wagner Tristan und Isolde Semperoper Dresden 25.1.2024

(Un)bewusst größte Lust- Thielemann verzaubert Tristan in Dresden

Es war wieder sein Abend. Umstritten ist sein Ruf, geliebt sein Dirigat. Wenn Christian Thielemann und Richard Wagner im Spieplan auftaucht ist mit vollem Haus zu rechnen. So auch in Dresden, dazu noch eine Sängerriege vom Feinsten. Es war ein Abend der Sonderklasse, ein Opernerlebnis, das der Glückliche, der eine Karte ergatterte, nicht so schnell vergessen wird. Die Inszenierung und die Bühnenbilder von Marco Arturo Marelli sind zeitlios ästetisch und sehr gut reperoiretauglich. Im warmen gut abgestimmten Lichtdesign von Friedewalt Degen spielt die Handlung auf einer schrägen quadratischen zentralen Plattform, deren Wände wie Fensterläden oder Türen geöffnet werden und Tageslicht hereinflutet. Ebenso wird durch eine transparenten Vorhang daraus ein Würfel, der das Geschehen verdichtet. Die Personenregie ist statisch mit wenig erotischen oder dramatischen Gefühlsausbrüchen. Die Kostüme von Dagmar Niefind Marelli sind uni in gedeckten Farben mit japanischen Anklängen.

So steht die musikalische Umsetzung zu recht im Fokus. Zum Glück sind die Vorspiele nicht inszeniert und bei geschlossenen Vorhängen kann sich die Musik in ganzer Pracht entfalten. Christian Thielemann setzt auf leisen transparenten Klang, schwebend wirken die Streicher. Der prägende Tristanakkord füllt den Raum mit elegischer Sehnsucht und zieht förmlich den Zuhörer in die seelischen Gefühlsebenen des berühmten Liebespaars hinein. Konsequent fordert Thielemann Konzentration und Präzision bei den Musikern ein. Die Spannung ist im perfekten Wechsel von Lautstärke und klarster Tongebung zu spüren. Der erste Akt bleibt durchsichtig und trägt die Sänger zu bester Wortdeutlichkeit und ausdrucksstarker Darstellung. Camilla Nylund ist eine lyrische Isolde mit feinen strahlenden Spitzentönen ohne Anstrengung, Klaus Florian Vogt gibt das lang erwartete Rollendebüt des Tristan in gewohnter Souveränität. Sein feiner hell timbrierter Tenor bekommt zunehmend Farbe und Nuancen, die Töne perlen klar und sicher, Bei beiden ist jedes Wort verständlich und es bekommt seine gestalterische Note. Dazu setzt Thielemann das Orchester pointiert bewusst kräftig in den Zwischenspielen ein. Tanja Ariane Baumgartner ersetzt die erkrankte Christa Mayer und positioniert ihre Brangäne zwischen Dramatik und ehrfürchtiger Magd.

Im zweiten Akt herrscht eine aufgeheizte Romantik, die Dirigent und Orchester farbenreich in schönster Spiellaune zelebrieren. Das Liebespaar verfällt in einen wunderbaren Liebstaumel auch wenn sie von der Regie zumeist auf Abstand gehalten werden. Der Höhepunkt des Aktes wird der gefühlsgeladene Monolog König Markes auf seinen untreuen Freund Tristan. Georg Zeppenfeld besticht wieder mit einem perfekten Gesang, dem er seine Gefühle einzugeben vermag. Jeder Ton sitzt inklusive der gestalterischen Pausen, Gefühlswallungen dreht er geschickt auf, um aus der Steigerung in Trauer zu verfallen. Dafür gibt es viel Beifall vom Publikum.

Im dritten Akt zeigt Klaus Florian Vogt seine Ausdauer und kluge Rollengestaltung. Sein Monolog bleibt frisch und sicher ohne Druck bis zum letzten Ton, Wahnsinn, Sehnsucht, Schmerz und Gefühlsemofindungen finden ausreichend Platz. Martin Ganter setzt einen nüchternen treuen Freund als Kurwenal stimmschön dagegen. Camilla Nylund beschließt das Opernereignis mit einem intimen abgeklärten berührenden Liebestod, den das Orchester detailverliebt musikalisch auszugestalten weiss.

Selten hat man ein so ergriffenes Publikum erlebt, denn nach jedem Akt gab es lange Spannungspausen bis der Applaus verhalten einsetzt, um in einen Begeisterungssturm zu verfallen. Am Ende lautstarker langer Zuspruch und Dank an alle Mutwirkende.

Dr. Helmut Pitsch

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