Wolfgang Amadeus Mozart Mitridate, Re di Ponto Garsington Opera 3. Juni 2023
Unprätentiös schlank und mitreißend - Mitridate in Garsington
Bereits die Anreise ist Teil der Inszenierung. Kaum verläßt der Besucher nach einer Stunde Autofahrt vom Zentrum Londons die Autobahn, fährt er durch ein Tor und betritt den großzügigen privaten Landsitz. In Schrittgeschwindigkeit geht es durch die sanfte grüne typisch englische Hügellandschaft, frisch geschorene Schafe weiden am Straßenrand, reedgedeckte gepflegte Häuser säumen mitunter den Weg bevor der Herrschaftsitz versteckt hinter Bäumen auftaucht. Umgeben von Wiesen steht das moderne Operhaus, ein mobiler Glasbau, der 400 Zuschauer fasst, auf einer Anhöhe. Davor ist malerisch ein Teich mit einer kleinen Insel, auf der sich ein Pavillon für Ausstellungen befindet, in die Landschaft eingebettet. Weisse Zelte mit Tischen und Stühlen reihen sich aneinander, zum Picknick einladand, das bei einem Besuch der privaten englischen Festspiele nicht fehlen darf. Kaum sind die edlen Karossen geparkt, schleppt der Opernfreund seine Picknickausrüstung und kulinarischen Köstlichkeiten an sein romantisches Plätzchen. Ruhig und gelassen wird dann auf das Glockengeläut zum Opernbesuch gewartet.
Keine 15 Jahre alt, schuf das Salzburger Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart die Auftragskomposition für das Teatro Ducale, der heutigen Maiänder Scala in nur fünf Monaten. Die Handlung basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Jean Racine. Mitridate, König von Pontus an der Schwarzmeerküste, stellt seine Söhne Farnace und Sifare und junge Verlobte Aspasia mit der Falschmeldung seines Todes im Kampf gegen die Römer auf die Probe. Als er zurückkehrt findet er Farnace um die Gunst Aspasia buhlend und mit den Römern paktierend. Aspasia hingegen ist in Liebe für den edelmütigen Sifane entbrannt. Nach dramatischen Auseinandersetzungen am Hof zieht Mitridate in die Schlacht gegen die angreifenden Römer. Verwundet kehrt er zurück, vergibt seinen Söhnen und seiner Verliobten bevor er durch eigene Hand den Heldentod stirbt.
Regisseur Tim Albery und Bühnenbildnerin Hannah Clark versetzen den klassischen Stoff in ein zeitloses Stilmix wie vom Flohmarkt. Ein langes buntes Sofa, ein antiker Glasschrank mit alten Gewehren und Säbeln und ein ausgestopftes Zebra stehen auf der Bühne. Ein römischer Helm und Brustpanzer, sind weitere Requisiten. Aspasia trägt ein schwarzes einfaches Gewand als trauernde Witwe, Farnace wandelt im poppigen lila Pyjama oder gestylten lila Anzug. Es ist die muntere sehr natürliche Personenregie und das engagierte Spiel der Darsteller, die die knorrige Handlung überzeugend lebendig machen.
Robert Murray ist ein stattlicher Mitridate mit einem festen kräftigen Tenor. Sonor bis gefühllos ohne Verzierung tritt er als der enttäuschte Herrscher auf. Louise Kemeny ist ausdruckstark als Sifane und kann mit ihrem stählernen Sopran gut die Hosenrolle ausfüllen. Farbenreich stellt sie ihren verzweifelten Kampf zwischen Liebe und Pflicht als ehrenhafter Sohn auf die Bühne. Elegant lässig, sebstbewüsst bis überheblich ist der Farnace überzeugend souverän von Iestyn Davies gespielt . Sein Countertenor hat Strahlkraft und Farbe als auch Volumen. Elisabeth Watts ist eine präsente Aspasia, die mitunter stimmlich hochdramatisch scharf wird. Berührend ist die Arie der Ismene von Sorays Mafi, solide auch Joshua Owen Mills als Marzio.
Entscheidend zum Erfolg des Abends trägt Clemens Schuldt am Pult des The English Concert, dem Festivalorchester bei. Mut einer gesunden Mischung aus lässiger Leichtigkeit und intensiver Auseinandersetzungen mit dem Musikern haucht er dem Jugendwerk Mozarts eine dynamische Spannkraft ein, lässt die Melodien und Harmonien aufblühen und hält temporeich die Handlung. Klangvoll begleitet er die Arien und Duette , William Cole am Cembalo weiß die Rezitatve auszugestalten.
Große Begeisterung im nahezu ausverkauften Haus.
Dr. Helmut Pitsch
05. Juni 2023 | Drucken
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