Premiere am 2.11.2019
Die Produktionen des gefeierten Leiter der Innsbrucker Ballettcompagnie waren in den letzten Jahren Garanten für gelungene ausgefeilte, ästhetische und technisch anspruchsvolle Ballettproduktionen. Die Ballettabende sind Verkaufsrenner an der Theaterkasse und die Karten sehr begehrt. Enrique Gasa Valga führt seit 2009 die Ballettcompagnie des Tiroler Landestheater. Mit einer Vielzahl von neuen intelligenten schwungvollen und ansprechenden Kreationen hat er in der Olympiastadt eine wahre Tanzeuphorie ausgelöst. Dafür hat er auch wohlverdient einige Preise gesammelt.
Mit der nun gezeigten Uraufführung von The Tempest setzt er seinen Shakespeare Tanztheaterzyklus fort. Nach einem markigen düsteren Macbeth folgte ein heiterer kurzweiliger artistischer Mitsommernachtstraum, diesmal nicht zur Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy. Mit The Tempest wagt er sich an das sperrige Spätwerk des genalien englischen Dramatikers. Gegenüber anderen Werken läuft hier eine geradlinige knappe Handlung in einem Zeitabstand von nur wenigen Stunden. Es gab bereits mehrere getanzte Interpretationen dieses Theaterstückes vom versteckten Inselparadis, über das der aus Mailand vertriebene Prospero mit seinen Zauberkräften herrscht. Seine Tochter Melinda und die Priesterin Ariel sind ihm ebenso Untertan wie die Einwohner und Tiere bis ein Schiff vor der Insel kentert und die Schiffbrüchigen das Inselleben auf den Kopf stellen.
"Freien Umgang mit dem Handlungsstoff und ein Experimentieren mit dem Kreativteam" wünschte sich Valga im Vorfeld der Produktion und so fühlt es sich für den Betrachter an. Wo sind wir eigentlich? Wir erleben den verhängnisvollen Sturm, dem die Mannschaft und erlauchtem Passagiere erliegen. Das Schiffswrack liegt an einer nordeuropäisch anmutenden Steilküste. Gleich darauf wandert der Zauberer mit seiner beherrschten Priesterin Ariel am karibikhaften Sandstrand. Sand, den es auch immer auf die Bühne regnet. Miranda, seine Tochter trifft auf den gestrandeten Ferdinand und eine Liebe entbrennt. Und so geht es sprunghaft in bunten Bildern weiter - Video Albert Serrado und Licht Florian Weisleitner. Sehr schwer ist eine Handlung zu erkennen. Im Regenwald tanzt Ariel mit halbnackten Wilden - an die Ureinwohner Neuseelands im Maori Stil erinnernd - mehr folkloristisch als Ballett. So begeistert die Choreografie mit wenig ausgefeilten Schritten oder Hebefiguren. Auch imposante ans artistische gehende Sprünge der männlichen Mitglieder fehlen. Da fühlt sich der Zuschauer eher im showgleichen Variete als im modernen ausdrucksstarken Tanztheater. Neben ein paar klassischen Musikstücken von Ludwig van Beethoven, Max Richter oder Jean Sibelius kommen auch moderne Kompositionen unterschiedlichster Harmonie und Rhythmik sowie Genre zum Einsatz. Auch Unterwasserzauber kommt vor. Effektvoll und raffiniert ist der Tanz der vier Männer mit den roten magischen Tüchern, die sie wie Toreros durch die Luft wirbeln. Grosser Aufmarsch der Compagnie erfolgt zum Schluss zur geglückten Vermählung von Ferdinand und Miranda. Prospero tanzt seinen Monolog und verschwindet durch den auf die Bühne projizierten Zuschauerraum hinaus. Das Schauspiel vom Mythos Inselparadies ist zu Ende und wir betreten wieder die Realität.
Charmant flüssig und gut verdaulich hat Enrique Gasa Valga diese Bilder aneinandergereiht. Manche Choreografieeinfälle sind breit aufgemacht und wiederholen sich. Die gewohnte kreative Qualität und tänzerischen Anspruch vermisst man über weite Strecken. Die stimmungsvollen Bilder lullen den Betrachter anschmiegsam in unterschiedliche Welten ein, aber erschweren auch die inhaltliche Folge. Das Publikum drückt wieder seine Begeisterung aus.
06. Dezember 2019 | Drucken
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