Antu Romero Nunes inszeniert nach Guillaume Tell in 2014 wieder am Münchner Nationaltheater und wieder ist es ein französisches Werk eines italienischen Komponisten. Giuseppe Verdi komponierte die Vepres Siciliennes als Auftragswerk für die Pariser Oper und hatte seine Schwierigkeiten mit dem Stoff als auch mit den Bedingungen und Vorkommnissen rund um die Uraufführung. Mehrmals wollte er Paris verlassen, aber er blieb und die Uraufführung wurde ein grosser Erfolg. Die Handlung spielt in Sizilien während der französischen Besetzung im 13. Jahrhundert. Der Graf Guy de Monfort herrscht diktatorisch, die Sizilianer unter der Führung von Procida und Helene planen den Aufstand. Der junge stürmische Henri, der seine Herkunft nicht kennt, unterstützt in seiner Liebe zu Helene das unterdrückte Sizilien. Als er erfährt, dass er Montforts verschollener Sohn ist gerät er in schwere Gewissenskonflikte. Am Ende steht ein blutiger Aufstand. Wiederum ein typischer Opernstoff mit viel Gefühlen und Dramatik nach einem Libretto von Eugene Scribe, der zu seiner Zeit ein einflussreicher Dichterfürst war und Giuseppe Verdi nicht gerade zur Seite stand. Antu Romero Nunes ist für radikale aussergewöhnliche Interpretationen und Gestaltungen bekannt. Er steigt bereits während der Ouvertüre gestalterisch ein. Ein Junge oder ein Mädchen mit roter Rettungsweste irrt auf der Bühne herum und wirft sich in die vermeintlichen Fluten,dargestellt in einer voluminösen schwarzen Plastikfolie. Eine Anspielung auf den vermissten Bruder Helenes oder auf die aktuelle Flüchtlingsthematik, dies bleibt offen. Gleich im ersten Bild erlebt man den Zusammenstoss zwischen den unterdrückten Sizilianer, von Victoria Behr in Lumpen gesteckt mit übergrossen Fratzen an Totenmasken und Totenköpfen erinnernd, und den französischen Unterdrückern in napoleonischen Uniformen. Die Bühne bleibt den ganzen Abend zumeist leer, grosse Plastikplanen und herabfallende dünne schwarze Stoffvorhänge begrenzen den grossen Raum und Lichteffekte von Michael Bauer wirken gestalterisch. Düstere Athmosphäre dominiert den tragischen Handlungsablauf. Die zahlreichen Massenszenen erhalten in ihrer Dichte von Personen eine besondere Dynamik. Zusätzlich engagiert Nunes die Sol Dance Company für die verschiedenen Tanzeinlagen, und lässt hierzu noch Techno Musik einbauen, um die Wirkung zu steigern. Und insgesamt kann man das Konzept als schlüssig und konsequent beurteilen. Lediglich in der Personenregie bleiben die Ideen dünn und zumeist wird regungslos an der Rampe gesungen. Die Protagonisten kommen kaum zu berührenden Szenen zusammen.
Die Amerikanerin Rachel Willis Sorensen verfügt über einen hellen sicheren Sopran, der leicht in die Höhe klettert und breit angelegt werden kann. Leonardo Calmi ist für den erkrankten Bryan Hymel eingesprungen und müht sich als Henri in den Höhen mit den Anforderungen der Partie. Erwin Schrott, bekannt für sein schauspielerisches Talent, wird in ein goldenes Kostüm wahrlich hineingepfercht und wirkt wie ein verirrter Indianerhäuptling in zu enger Montur und kann so nur eingeschränkt wirken. Er zeigt aber stimmlich sein Können insbesondere mit einem breiten lyrischen Gesang in der Tiefe. Seine Stimme sitzt fest auf einem weichen dunklen Timbre und verleiht viel Farbe. George Petean steht den Sizilianern mit seinem kraftvollen Bariton kämpferisch als Montfort gegenüber und gestaltet seine grosse Arie über den wiedergefundenen Sohn mit Selbstzweifel und Gefühlskonflikten. Ohne Druck gelingen ihm romantische Melodiebögen im crescendo. Geschickt legt er fein nuanciert seine Betonungen. Weniger gefühlsbetont, damit umso forscher führt Omer Meir Wellber am Pult. Militärisch zackig und sehr laut kommen Blechbläser und Trommelsalven aus dem Graben, nicht ohne betörende Wirkung zu verbreiten. Hier wird auch musikalisch die Konfrontation der Widersacher gestaltet. Die Tempi sind gut gewählt, um die Spannung zu halten und die Sänger nicht zu treiben. Während der Technomusik greift der junge Dirigent zu Kopfhörern, um seine Konzentration nicht zu verlieren. Auch hier mal etwas anderes. Am Ende sind sich die Zuschauer zwischen Begeisterung und Ablehnung nicht sicher, aber beeindruckt hat der Abend allemal und den Musikern und Sängern wird zu recht Beifall gespendet.
Helmut Pitsch
23. März 2018 | Drucken
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