Asmik Grigorian Wiener Symphoniker Musikverein Wien 18.1.2025
Von Einem, Strauss und Schubert - ein gehaltvoller Abend mit den Wiener Symphonikern
Obwohl ihm Zeit seines Lebens immer der Vorwurf gemacht wurde, dass er traditionell und konservativ komponiert, gilt der 1918 geborene Gottfried von Einem zu den bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts und der Moderne. Meisterhaft verbindet der Österreicher Rhythmik, Melodie und Harmonik in seinen Werken, die formal die Struktur klassischer Kompositionsregeln durchaus folgen. Spannungsgeladen, schwungvoll ist seine Musik, aber auch Emotionen und Gefühle drückt er klangvoll aus.
In seinem Frühwerk „Orchestermusik op 9“ sind diese Elemente gut zu hören. Klar grenzen sich in einander übergehende Sätze ab. Effektvoll starten die Wiener Symphoniker unter ihrem neuen Chefdirigenten Petr Popelka mit kräftigen Akkorden. Wie ein Wachruf schließen sich monumental aufbauend Hatrmonien an, die in einen ruhigen fließenden, in Melodien schmeichelnden Mitteksatz münden. Im Finale kehren die Musiker zu lauten mächtigen Akkordreihen zurück. Popelka achtet auf präzise, rhythmische klare Umsetzung. Volumenswechsel und Fermate sind Spannungstreiber. Leicht und locker lässt er die Symphoniker zusammenspielen und mitunter tänzerisch wirken.
Mit Orchesterliedern von Richard Strauss bestreitet das Orchester gemeinsam mit der litauischen Sopranistin Asmik Grigorian den folgenden Teil des Konzertes. Vor der Pause erklingen dessen Spätwerk „Vier letzte Lieder“ AV 150. Ein Jahr vor seinem Tod vollendet, sind diese sein letztes abgeschlossenes Werk und vermiitteln in komprimierter Form seine kompositorische Größe. Zu Texten von Hermann Hesse und Joseph von Eichendorff blühen in der ausschweifenden Orchesterbegleitung spätromantische Harmonien, die an den Grenzen der Chromatik kratzen. Es ist ein expressiver Farbkasten in den Instrumenten des Orchesters, der sich mit der menschlichen Stimme spannungsvoll und raffiniert verbindet. Strauss schöpft die emotionale Kraft der Musik als seinen schöpferischen Abschied aus. Petr Popelka gelingt es mit den Symphonikern die klangliche Vielfalt und mitunter Wucht der Partitur gehaltvoll zu gestalten. Mit Gespür schafft er eine spannende Mischung aus unprätentiöser Begleitung und dynamischer Führung im Orchester.
Asmik Grigorian bereitet zur Zeit in Wien ihr Debüt als Norma in Vicenzo Bellinis gleichnamiger Oper. Mit ihrer Darstellung der Salome von Richard Strauss bei den Salzburger Festspielen gelang ihr der internationale Durchbruch zum gefeierten Star. In den “Vier letzten Liedern“ zeigt sie ihren mittlerweile dunkler und dramatischer gewordenen Sopran mit lyrischen Akzenten. Ihre Textverständlichkeit hat sich deutlich gebessert, in der Gestaltung mancher für Strauss typisch langgezogener Vokale verliert sie die Linie. Nach leichten Unsicherheiten zu Beginn des ersten Liedes Frühling gestaltet sie September und Beim Schlafengehen in wunderbar warmer Ausstrahlung, famos vom Violinsolo begleitet. Mystisch einfühlsam zaubert sie eine gedrückte Stimmung des Abschieds, einer wohligen Sehnsucht die verklingt.
Nach der Pause folgen frühe Lieder des Komponisten, die er in der glücklichen Zeit seiner Hochzeitsvorbereitung für seine Frau und Sängerin Pauline de Anha verfasst hat. In Cäcilie op 27/2, Zuneigung op 10/1 und Morgen! Op 27/1 erscheint seine freudige, schwungvoll und humorige Seite, die Reife und Kraft seiner gestalterischen Phantasie klar erkennbar. Hier zeigt sich die Wandlungsfähigkeit der Sängerin, die nuanciert ihre Stimme in vielfältigen Gefühlen schimmern lässt. Wieder gelingt es Petr Popelka das Orchester locker und fein abgestimmt zur Gesangssolisten in Erscheinung treten zu lassen. Er baut einen wohligen Klangteppich auf, der sich harmonisch mit der Solistin verbindet.
Zum Abschluss erklingt eine junge, transparente Interpretation von Franz Schubert Symphonie Nr 7 h - moll D 759. Das zweisätzige Werk, besser als Unvollendete bekannt lässt die Entwicklung Schuberts am Übergang zur Romantik erkennen. In feinsten Pianissimo lässt Popelka die Violinen das Motiv vorstellen, behält eine reduzierte fliessende Bewegung im ersten Satz Allegro moderato. Kurz brechen Akkorde die verhaltene Führung auf. Die oft episch melancholische Wirkung weicht einer nach Dramatik strebenden. Dies setzt sich gut ausmusiziert im zweiten Satz, Andante con moto fort. Die Musiker überzeugen mit ihrem präzisen Spiel und dem aufmerksamen Zusammenspiel. Es bleibt lebendig ohne Rausch, gefühlvoll ohne Schmelz, ein interessantes neues Hörerlebnis des Werkes.
Viel Beifall und große Anerkennung für alle Ausführenden.
Dr. Helmut Pitsch
20. Januar 2025 | Drucken
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