Walküre Brisbane - Auf Intimität reduzierte Digitalisierung...

Xl_53370619075_7a2f6fdcf2_k__002_ © Wallis Media Opera Australia

Brisbane/Australien: DIE WALKÜRE – Premiere am 3. Dezember 2023

Auf Intimität reduzierte Digitalisierung…

Das zeitweise in der Tat imposant aufwartende, aber manchmal auch überbordende digitale Licht-Theaterdes neuen „Rheingold“ der OPERA AUSTRALIA in der Inszenierung des Chinesen Chen Shi-Zheng am Lyric Theatre des Queensland Performing Arts Center im ostaustralischen Brisbane ging erfreulicherweise in dieser Intensität nicht weiter. Denn in der „Walküre“ kommt es auf ganz andere Qualitäten an, was gerade diesen 1. Abend der Tetralogie zu ihrem meist beliebtesten macht, auch wenn die Instrumentation der „Götterdämmerung“ entwickelter und damit komplexer und spannender ist.

In der „Walküre“ sind erstmals Menschen auf der Bühne, genau genommen, drei Paare, die mit ganz unterschiedlich ausgeprägten Emotionen miteinander agieren, i.e. Hunding und Sieglinde, das Zwangsehepaar, Siegmund und Sieglinde, das sich über alle Grenzen liebende Geschwisterpaar, sowie Wotan und Brünnhilde, der die abtrünnige Tochter dennoch liebende Vater. Diese speziellen, sehr unterschiedlichen Beziehungen mit der diese Produktion im Wesentlichen optisch und ästhetisch bestimmenden Digitaltechnik bewerkstelligen zu wollen, wäre wohl kaum möglich. Zu filigran und intim ist die vor allem durch eine gut ausgearbeitete Personenregie und darstellerische Mimik der Sängerdarsteller, ja besser noch -gestalter zu realisierende Authentizität zwischenmenschlicher Beziehungen. Und es spricht viel für das leading team um Regisseur Shi-Zheng und Chef-Designerin Leigh Sachwitz, in der „Walküre“ schon von Beginn an die digitale Optik auf den 24 Paneelen recht wirkungsvoll in den Dienst der Schilderungen dieser verschiedenen Gefühlswelten zwischen den drei Paaren zu stellen.

Dabei ist das Credo des chinesischen Regisseurs, die Tetralogie Wagners weder als eine moderne Interpretation westlicher Kultur noch als eine Anpassung an östliche Rahmenbedingungen zu inszenieren. Mit der digitalen Vielfalt der optischen Ausdrucksmöglichkeiten ist Shi-Zheng vielmehr daran gelegen, den „Ring“ über den historischen europäischen Kontext hinaus wie ein von allen einnehmbares Universum zu zeigen, das also allen Menschen offensteht und in dem sie sich wiederfinden können, unabhängig von Herkunft und Nationalität. In einem kleinen Aufsatz im Programmheft nennt er das einen „neuen Welt-Mythos“, wie aus einem „Mosaik, wo jedes kleine Einzelteil unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft widerspiegelt.“ Dabei ist die alte Mythologie für ihn äquivalent zum modernen science fiction. Hervorzuheben ist also, dass Shi-Zheng den von Wagner im „Ring“ so hoch gehaltenen Mythos respektiert, wenn auch auf eine ganz andere darstellerische Art und Weise. Damit ist schon gleich jeder Verfall in die dem europäischen exzessiven Regietheater so stark anlastende Tendenz zur Banalisierung und Bagatellisierung, immer wieder auch mit einer Kultivierung von Hässlichkeit mit postmodernen Stereotypen wie Müll und seiner Beseitigung auf der Bühne, oder ständig störend Einzelaspekte filmenden Kameraleuten et al., ausgeschlossen.

Stattdessen erleben wir die sich langsam entwickelnde Liebesbeziehung zwischen Siegmund und Sieglinde über einen langen Zeitraum nur mit sternschnuppenartigen grünen Lichterscheinungen an zwei sonst schwarzen Seitenwänden, bis sich die in der Mitte der sonst leeren Bühne prangende, im Prinzip wie das Riff der Rheintöchter völlig weiße Weltesche in Form einer 3D-gedruckten Ausgabe eines Bonsai-Baumes aus den Suzhou-Gärten bei Siegmunds Liebeserklärung „Winterstürme wichen dem Wonnemond“ visuell mit ständig aufblühenden Rosen schmückt. Zuvor stieg im Hintergrund ein kunstvoll ziselierter Mond auf, der Wonnemond eben, also sogar textkonform, bis das Ganze bei der Schwertgewinnung in ein recht farbintensives Finale mit einem erst goldgelben und dann weißen Blütenblätterregen übergeht. Schade, dass man ein Holzschwert wählte, das passte so gar nicht zum Inhalt! Wie heißt es doch so schön später bei Siegfried „Mit Bappe back ich kein Schwert!“ Dieser Aufzug war also auch „digital“ überzeugend aufgebaut. Dazu gehörte eine sehr gute Personenregie, die das ganze Leiden Siegmunds durch Verletzung bis zu seiner Begeisterung, Sieglinde als Braut zu gewinnen, zeigt, aber auch ihre brutale Behandlung durch den hier besonders grobschlächtig dargestellten Hunding mit gefährlich blinkender scharfer Lanze. Die war aus Metall, wie auch Wotans Speer und jene der gefallenen, aber dennoch tanzenden Helden im 3. Aufzug!

Im 2. Aufzug geht es dann schon etwas farbiger zu, aber szenenbetont. Als Fricka auftritt, wurde nach der bei Lise Lindstroms sehr gutem „Hojotoho“ noch in frischen Farben und damit voller Zuversicht prangender Bühne auf einmal alles schwarz. Shi-Zheng versteht also situationsbezogen die Digitalisierung bewusst dramaturgisch einzusetzen. Und das macht natürlich die jeweilige Szenenaussage viel klarer. Im Dialog zwischen Wotan und Fricka herrschen klare Orange-Töne vor, die sich auf mehreren Paneelen über helle Leuchtstreifen langsam entwickeln und, als wollten sie Wotans Spielraum einengen, nach und nach in Schräglagen übergehen nach dem Motto – hier gibt es kein Entrinnen! In der finalen Kampfszene, recht überzeugend gestaltet, ist dann der ganze Bühnenraum Orange – sicher kein Zufall… Auch die dezenten Lichtspiele während des langen Wotan-Monologs sind äußerst geschmackvoll und lassen manche Assoziation zu.

Im 3. Aufzug kommen die acht Walküren auf einem riesigen silbernen Phoenix aus der Höhe herunter, ein so eindrucksvolles Bild, dass es im Saal mit seinen 2.000 Zuschauern spontan Beifall gibt. Dazu bildet sich auf dem Bühnenhintergrund das Universum mit einem Planeten ab, als schaue man aus einer Raumstation darauf. Das Ganze wird theatralisch zu einem der stärksten Momente bisher, denn alles passt auch bestens zur Handlung. Die Walküren werden endlich einmal kunstvoll choreografiert, wo sie sonst meist nur über die Bühne hetzen. Eine Gruppe von Tänzern mit Speeren, die jenem Wotans nachempfunden sind, bewegen sich mit ihnen in fast tänzerischer Manier. Ein Walkürenritt der besonderen Art – das muss man schon sagen. Im Finale herrschen ruhige rotweißblaue Farbmuster vor, bevor es in einen Feuerzauber geht, der diese Beziehung wahrlich verdient hat. In Windeseile hat sich ein etwa 16 Meter langer chinesischer Metall-Drache um den hochstehenden Brünnhilden-Felsen gelegt und bricht in ganzer Länge in Flammen aus. Wotan geht nach seinem Bannspruch immer wieder um den Felsen herum, das scheint die Intensität der Szenerie noch zu verstärken. Es war also szenisch eine beeindruckende und phantasievoll mit einer guten Dosierung der digitalen Technik gestaltete „Walküre“, die einen mit Spannung den „Siegfried“ erwarten ließ.

Sängerisch war im Prinzip auch das meiste gut bis sehr gut, mit zwei Ausnahmen. Lise Lindstrom sang eine einnehmende Brünnhilde mit ihrem klar konturierten dramatischen Sopran, sehr gut geführt und mit viel Ausdruck vorgetragen, auch mimisch. Anita Yavich hatte ihr ein äußerst phantasievolles metallisch-schwarz glänzendes Kostüm geschnitten mit einem wüsten roten Haarschopf. Der Australier, aber wohl aus einer italienischen Familie stammende Rosario La Spina sang einen sehr guten Siegmund mit einem Tenor, bei dem man das italienische Spinto geradezu aus jeder Note hörte und der auch als Otello oder Cavaradossi reüssieren müsste. Ein ganz ungewohntes „Siegmund-Gefühl“ also, aber ein gutes, lyrisch-sängerisch betontes, mit kraftvollen Höhen (perfekte Wälse-Rufe und  „Wälsungen-Blut“) sowie guter Tiefe. Die junge Anna-Louise Cole gab die zu ihm perfekt passende Sieglinde, die sich nach etwas verhaltenem Beginn enorm steigerte mit einem klaren frischen Sopran sowie perfekter Wortdeutlichkeit. Auch darstellerisch konnte sie stark für sich einnehmen. Sicher eine Sängerin mit großer Zukunft. Aber ob sie gut beraten ist, schon die Brünnhilde im 3. Zyklus in Brisbane zu singen, möchte ich dahin gestellt lassen. Deborah Humble sang die Fricka mit ihrem kultivierten Mezzo und eindrucksvoller Gestik.

War bei Daniel Sumegi schon im „Rheingold“ dieser gaumig-kehlige Klang seines ansonsten guten und kraftvollen Bassbaritons zu vernehmen, so war er als „Walküre“-Wotan diesmal mit einem fast wie eine Indisposition klingenden Einbruch der Stimme zu hören. Dieser bisweilen fast wie ein Stimmbruch klingende Defekt hatte auch signifikanten Einfluss auf die Diktion, die  nun zu wünschen übrig ließ. Das Problem scheint offenbar größerer Natur zu sein. Mit dieser Stimme könnte Sumegi in Europa keinen Wotan singen. Stimmlich ähnlich enttäuschend verhält es sich mit Andrea Silvestrelli, der den Hunding zwar sehr intensiv gestaltete, aber mit einem wie gebrochen wirkenden Bass, der vor allem auf Lautstärke setzt. Man könnte etwas verständnisvoll sagen, dass für einen so bösen Typ, den er hier spielen muss, diese Stimme passt… Die acht Walküren hingegen konnten alle mit guten Einzelstimmen und erst recht natürlich im Chor beeindrucken und machten auch darstellerisch ihre Sache sehr gut.

Philippe Auguin wählte wieder die relativ langsamen, manchmal fast gemächlichen Tempi, die aber zu der Inszenierung mit ihren sich stets langsam entfaltenden Farbspielen durchaus passen. Im Vorspiel meinte man zu hören, wie Siegmund auf seiner Flucht Schritt vor Schritt setzt. Im Walkürenritt schien sich Auguin jeder der Walküren musikalisch persönlich zu widmen. Aber mit dem Queensland Symphony Orchestra entstand auch an diesem Abend wieder ein sehr guter Wagner-Sound.                                             

Klaus Billand aus Brisbane/Queensland

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