Wenn Lohengrin mit der Marschallin spaziert, ein Opernwunschkonzert in München
Richard Wagners Schwanenritter Lohengrin im König Ludwig Look mit azurblauen Hermelinumhang trifft auf die Fürstin Maria Theresia von Werdenberg alias als die Marschallin aus Richard Strauss Rosenkavalier oder Cavaradossi singt an der Staffelei Stolzings Ballade an den Abendstern. Ein Opernabend der besonderen Art konnte das Münchner Publikum vom theater werkmünchen präsentiert erleben. Dessen alljährlichen Kurse sollen als Plattform für vornehmlich junge Künstler zur Fortbildung, Praxis, künstlerischen Entwicklung und insbesondere auch zur Vernetzung mit Künstleragenturen dienen. So ermöglicht der Kurs gerade jetzt in schwersten, von Absagen und Einschränkungen geprägten Zeiten den jungen Sängern und Sängerinnen sich durch Auftritte Aufmerksamkeit und Gehör zu verschaffen.
Kristina Wuss, Leiterin der Klasse Musik und Regie, bettet die Teilnehmer des Kurses in zwei abendfüllende Programme, zwei Wunschkonzerte beliebter Opernhits und versucht die Auswahl zu einem Bühnengeschehen zu vereinen. Der beeindruckende Saal des "altehrwürdigen" Akademischen Gesangsvereins verfügt über eine gute Akustik, eine wahre Bühne mit Vorhang und vor allem viel Platz, um die Corona Bestimmungen einzuhalten. Auch die Fenster sind geöffnet, um zusätzlich Sicherheit durch reges Lüften zu bieten. Im Hinteren des Saales sind die Sitzreihen aufgestellt. Im vorderen Teil wird gespielt.
Skurril sind die Zeiten für Kulturveranstaltungen, da passt die absonderliche Gestaltung des Saales für die Aufführung des Abends mit dem ebenso fragwürdigen wie vielversprechenden Titel "Schwanenflug Oper von grandioser Ungleichheit " dazu. Ausgestopfte Jagdtrophäen zieren die Bühne, eine Kleiderpuppe mit Barockrobe und ein später bespieltes Kasperltheater sowie eine lange Tafel auf der einen Seite sind die Bühnengestaltung. Auf der anderen Seite sitzt Elena Arnovskaya am Klavier und Dirigent Andreas Pascal Heinzmann, die den anspruchsvollen umfangreichen Liederabend musikalisch souverän und mit Einfühlungsvermögen gestalten.
Die Rolle eines eleganten Herren im Smoking mit Seidenschal an seinem kleinen Schreibtisch mit Notenblättern und Feder bleibt unklar gezeichnet. Ist es der Münchner Komponist Richard Strauss und worin besteht seine Aussage?
Die Feder ist das Bindeglied zum Titel "Schwanenflug Oper von grandioser Ungleichheit" und zum intensiven Geschehen des Abends. Der leidende Schwan Odette - Elisabeth Margraf - aus dem berühmten Ballett "Der Schwanensee" von Peter Tschaikowsky - dessen Melodien immer wieder erklingen - schlägt die Flügel und tanzt und springt immer wieder zwischen den Sängern, umgarnt förmlich die einzelnen Darstellern und Innen, die zumeist als tragische Liebespaare der Opernliteratur bekannt sind. Das umfangreiche Programm mit Arien und Duetten aus Lohengrin, Rosenkavalier, Tosca, Wozzeck, Eugen Onegin, Werther und My Fair Lady erscheinen mehr als Wunschprogramm der Teilnehmer denn als strukturiertes Programm mit Dramaturgie. Das Ergebnis kann sich aber sehr wohl sehen und vor allem hören lassen.
Nicole Tschalkin versprüht Charme in wohl geformten sicheren Tönen nuancenreich als Marie oder Eliza. Dabei hilft ihre sächsische Herkunft auch noch die nötige Sprachfärbung kokett hinein zu mischen. Simone Werner zeigt sich wandelbar mit dunkel gefärbtem Mezzo als Octavian und Charlotte. Gregor Novak zeigt mit kräftiger kultivierter Tenorstimme hohe Musikalität in den Rollen von Lenski oder Freddy.
Dramatik, Kraft und Mystik serviert die Litauerin Dalva Gedvilaite als Ortrud, die bereits einige Bühnenerfahrung aufweist. Markus Ahme gestaltet eine kraftvolle und sichere aber weniger geschmeidige Interpretation des Schwanenritters Lohengrin. Lenka Möbius ist seine jungfräuliche Elsa von Brabant mit gealtertem Timbre. Besonders fällt Marek Reichert als draufgängerischer skrupelloser Richter Scarpia auf, der seiner Partnerin Susanne Serfing als Tosca wahrlich Angst einflösst. Insgesamt bleibt sie auch als Marschallin farblos und kann ihr Stimmvermögen wenig artikuliert einsetzen.
Lisa Schneider ist eine jugendliche Sophie in den Duetten mit Octavian und formt feine anmutige Spitzentöne. Manolito Mario Franz ist auch schon in Fernsehserien aufgetreten. Hier zeigt er sein sängerisches Vermögen als Cavaradossi oder etwas befremdlich als Stolzing.
Nach über zwei Stunden beschliesst Anton Roters den Abend mit elegischen Streichertönen von der Bühne herab. Odette schlägt noch ein paar Flügelschläge in den sich verdunkelnden Raum. So vergeht der Abend unterhaltsam, ein wahres "Erkennen Sie die Melodie " gefeierter anspruchsvoller Opernarien und Duett auf hohem Niveau. Das zahlreiche und junge Publikum folgt intensiv und applaudiert kräftig.
06. August 2020 | Drucken
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