Richard Wagner Die Walküre Wiener Staatsoper 8.5.22
Wiederaufnahme Die Walküre an der Wiener Staatsoper in musikalischer Schmalspur
Munter streunt ein Wolf auf der Rückwand von Hundings Haus projiziert, ein großer Tisch steht auf der Bühne, mittendrin der Weltesche Stamm. Sieglinde beobachtet den wahrlich hereingeschneiten Fremden im langem ledernen Mantel. Ihr verhasster Ehemann, an den die Waise von Schächern verkauft wurde, wirkt wie ein wilder Wikinger. Eleganter ist Wotans Heim im zweiten Akt. Der Raum bleibt über den Abend gleich, nur die Deko ändert sich. Stämme im Hintergrund, weiße Steinbänke im Vordergrund. Zwei goldene Köpfe verbildlichen das Wälsumgengeschwisterpaar. Pferde grasen am Walkürenfelsen und stehen im Feuerzauber regungslos mitten in den Flammen. Die Ringregie von Sven-Eric Bechtolf ist kein großer Wurf mit durchdringendem oder angreifbarem Konzept, eignet sich aber gut zum allgemeinen Spielbetrieb in wechselnden Besetzungen.
So steht diese Sängerbesetzung und die musikalische Qualität im Mittelpunkt des Publikumsinteresses der laufenden Wiederaufnahme von Richard Wagners monumentalem Werk Ring des Nibelung.
Mit Simone Schneider konnte nach Umbesetzungen eine glückliche Besetzung der Sieglinde gefeiert werden. Ohne überdrehte Dramatik gestaltet sie die Rolle der liebenden Schwester aber insbesondere der kämpferischen Mutter mit gepflegter sicherer Stimmführung. Ausdrucksstark und bestens verständlich formt sie die Töne, lässt diese anschwellen und kann auch bei langsamen Tempi das Volumen halten. Stuart Skelton imponiert mit seiner mächtigen Statur. Auch sein Tenor kann mit Fülle glänzen. Die Artikulation der Vokale lässt Farbe und Strahlkraft vermissen. Dies ist in seinen wuchtigen Wälse rufen besonders zu spüren. Auch sein Wälsungenblut versetzt nicht in Wallung. So bleibt es eine sichere farblose Rollengestaltung unter seinem stimmlichen Vermögen. Dmitry Belosselskiy verkörpert mit seinem kraftvollen Bass einen angsteinflößenden durchdringenden Charakter als Hunding.
John Lundgren wurde im Rheingold für seine Darstellung des Göttervater Wotan ausgebuht und hatte so mit einer verhaltenen Erwartung zu rechnen. Sehr zurückhaltend im Sprechgesang verfallen meistert er achtbar den zweiten Akt bevor er sich vor Beginn des dritten Aktes als insdisponiert ansagen lässt und so eine weitere ablehnende Reaktion des Publikum verhindert. Vermutlich wäre diese taktische Vorgehensweise zu Beginn der Aufführung sinnvoller gewesen.
Makellos und gewohnt souverän Nina Stemme als Brünnhilde. Ihre markanten herausfordernden Rufe gelingen unverändert eindrucksvoll. Erste Abnutzungen sind mitunter erkennbar. Das Liebesduett zwischen Vater und Tochter gelingt den beiden Routiniers berührend sinnlich und gefühlvoll. Diese Liebe verbrennt nicht, nein sie wird durch das Feier aufgeheizt.
Monika Bohinec ist eine lebensechte selbstbewusste Fricka, die ohne wenn und aber ihren Standpunkt vertritt und ihrem Göttergatten die Grenzen weist.
Im Graben schafft es Axel Kober nicht wirklich das Orchester und das Publikum in Spannung zu versetzen. Zu seicht ohne Akzente und Kanten ist das Dirigat. Dies ist auch im ab und an ungewohnt unsauberen Spiel der Philharmoniker zu hören. Während der Verkündigung wirkt das Orchester richtungslos und droht im enorm schleppenden Tempo auseinander zu brechen. Rettung und Schwung bringt der Klassikhit des Walkürenritts zu Beginn des dritten Satzes, dessen inspiriende Wirkung er bis zum Finale halten kann.
Viel Applaus am Ende für alle. Staatsopernniveau verdankt der Abend ein paar Stimmen.
Dr. Helmut Pitsch
10. Mai 2022 | Drucken
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