Wiederaufnahme von Elektra in München als packendes Familiendrama zeitlos in Szene gesetzt

Xl_elektra_2022_e.pankratova_c_w.hoesl__2_ © Winfried Hösl

Richard Strauss Elektra Bayerische Staatsoper 27. November 2022

Wiederaufnahme von Elektra in München als packendes Familiendrama zeitlos in Szene gesetzt

Es ist an Dramatik kaum zu überbieten. Da steht die gemarterte griechische Königstochter Elektra vor dem elterlichen Königspalast und schwingt das Beil im Jubeltanz wahrlich über die Köpfe der Musiker im Orchestergraben. Dazu dröhnt die massive expressive Musik von Richard Strauss in schweren Moll Akkorden aus dem Graben. Die schwarze Palastwand hebt sich und gibt Einblick auf die Morde, die gerade erfolgt sind. Elektras Jubel endet in ihrem Selbstmord. Ihr geliebter von der Mutter ermordeter Vater Agamemnon ist gerächt.

1909 erlebte das Werk seine Uraufführung. Es fußt mit wenigen Änderungen auf der gleichnamigen Tragödie von Hugo von Hofmannsthal. Mit 111 Musikern verlangt der Komponist mitunter die größte Orchesterbesetzung für eine Oper. Der griechische Klassiker von Sophokles liefert einen blutigen psychodramatischen Stoff wie eine Familienaufstellung rund um Intrige, Macht, Rache und schlechte Träume. Richard Strauss liefert elektrisierende Spannung in herber düsterer polytoner Tonsprache mit dissonanten Akkordfolgen wie Gesteinsblöcke und schmeichelnden satirisch anmutenden Melodiefolgen.  

Es ist eine der letzten Inszenierungen des 2002 verstorbenen deutschen Regisseurs Herbert Wernicke und zeitlos modern setzt er die Familientragödie in Szene. Die Handlung spielt vor dem Königspalast. Elektra haust auf einem Podest am rechten Bühnenrand. Durch einen Schwenk der riesigen dunklen Palastmauer in der Diagonale wird ein Blick ins helle Innere frei. Die Kostüme sind einfach griechische Togen, Klytämnestra sticht in kräftigem Rot hervor. Die Personenregie ist statisch und verstärkt die Isolation der Charaktere.

Die musikalische Leitung der Wiederaufnahme hat Vladimir Jurowski, Generalmusikdirektor der bayerischen Staatsoper. Mit Gespür und der richtigen Mischung aus Härte und Schärfe in der Klangflut gelingt ihm eine ansprechende bewegende Interpretation, die auch den Sängern in ihrer großen Herausforderung ausreichend Platz lässt. Im Tempo zurückhaltend arbeitet er die polyphone Vielfalt gerade in den intimen Stellen der Partitur heraus.

Elena Pankratova hat bereits mehrmals Charakterrollen an der Bayerischen Staatsoper übernommen. Ihre Elektra wirkt sehr besonnen und konzentriert, wohlklingend in der dramatischen Gestaltung und sehr auf die Wortdeutlichkeit ausgelegt. Etwas mehr Rachelust und Schärfe hätte dem Rollenbild gutgetan. Violeta Urmana gelingt als Klytämnestra triebhafte Verschlagenheit, die durch ihre Träume verunsichert wird. Nur schwer kann sie sich ihrer Tochter Elektra nähern und mit ihr austauschen ohne ihre Macht zu gefährden. Stimmlich gelingt ihr die Gefühle zu färben und flexibel zu intonieren, die eingesetzte Kraft unterdrückt oft die Wortverständlichkeit.

Chrysothemis ist zwischen der ehrlichen triebhaften Vaterliebe ihrer Schwester Elektra und der Machtgier und Herzlosigkeit ihrer Mutter Klytämnestra zerrissen. Die Litauerin Vida Mikneviciute  schafft sich mit ihrer klaren hellen Sopranstimme ihren eigenen Raum, den sie mit Gespür ausfüllt und dafür auch viel Beifall am Ende erhält. Karoly Szemeredy ist ein gediegener ruhig berechnender Orest mit feiner Gesangskultur.Der Auftritt von John Daszak als Aegisth ist kurz aber pointiert. Mit vollmundiger Stimme füllt er nochmals den Raum, bevor er seiner Ermordung entgegengeht.

Viel und langer Beifall im nahezu ausverkauften Haus für alle Mitwirkende.

Dr. Helmut Pitsch

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