Premiere Theater an der Wien 16.11.2019
Viel hat sich Johannes Erath und sein grosses Team an Ideen, Ausstattung und Requisiten ausgedacht und so im Übereifer die eigentlich einfache Handlung vergessen. So wird der Zuschauer mit nicht immer intelligenten Einfällen überschüttet so wie das Regieteam am Ende mit gerechtfertigten Buhs.
Gaspare Spontini schaffte es Anfang des 19 Jahrhunderts zu einem der bedeutendsten Komponisten aufzusteigen. In ärmlichen Verhältnissen in Italien geboren kam er in Paris am Hof Napoleons und Josephines zu grossen Ruhm und wurde zum Schöpfer der Grand Opera, die das Musikleben über Jahrzehnte formte und auch Wagner wie Verdi herausforderte. Sind seine Kompositionen in der Klassik verankert, vollgestopft mit Da Capo und Accompagnato Arien, breit auskomponierten Rezitativen und schmissiger Ballettmusik fehlen ihnen die charmanten leichtfliessenden Kantilenen und Arien, welche seine Nachfolger wie Meyerbeer oder Offenbach zu Berühmtheiten machten. Wenige Werke von ihm blieben in den Spielplänen erhalten. Einige wurden auf grund ihrer herausfordernden Arien von Sopranistinnen wie Maria Callas wiederbelebt. So auch sein 1807 uraufgeführtes Werk La Vestale.
Schnell erkante der junge noch unbekannte Komponist die Qualität des Libretto von Victor Joseph Etienne de Jouy und macht sich über die Komposition. Der junge römische Soldat und Held Licinius hofft nach seinem siegreichen Feldzug seine Liebe Julia zu ehelichen. Doch während seines Feldzuges wurde diese auf väterlichen Wunsch im Tempel der Vesta zur jungfräulichen Priesterin. Er dringt in den Tempel ein, um seine Geliebte zur Flucht zu überreden, aber ihr romantisches Wiedersehen wird zum Debakel. Das göttliche Feuer erlischt und Julia droht die Todesstrafe. Auch LIcinius Geständnis kann die Priester nicht umstimmen. Erst der göttliche Blitzschlag, durch den das ewige Feuer wieder erscheint, ermöglicht die Befreiung und die Verehelichung der beiden. Eine schöne wie einfache Handlung ohne Verstrickungen, Intrigen oder Seitenstränge.
Johannes Erath, eigentlich Musiker von der Ausbildung, fühlt sich mittlerweile zu Regie berufen. Er schafft hier ein Gesellschaftsdrama um religiösen Wahn, männlichem Patriarchat, Familiendrama und sexueller Misshandlungen. Dazu arbeitet er mit zahlreichen assoziativen Bildern. Das römische Heer ist ein Turnverein, der römische Adler als Symbol für SPQR wird zum ausgestopften Drohsymbol, der Vesta Tempel mit Hohem Priester, Oberste Vestalin wechselt unklar abgegrenzt mit dem häuslichen Ambiente von Vater, Mutter und Tochter. Auf der munter drehenden Bühne erschafft Katrin Connan ein buntes Durcheinander mit Turngeräten, Tauen, Ringen, einer überdimensionierten Madonna eher drohend im Wasser stehend, sowie jede Menge unnötiger Requisiten wie einem Beauty Case, dem ständig Blödsinnigkeiten wie eine blonde Perücke, Lippenstift etc entnommen wird. So abgelenkt verliert der Zuschauer und Zuhörer den Handlungsstrang und verliert sich in den ablenkenden Kleinigkeiten. Wieso am Ende nochmal der gesamte Chor teuer neu eingekleidet werden muss bleibt ebenso rätselhaft wie vieles in dieser aufwendigst gestalteten Inszenierung.
Bertrand de Billy kehrt an das Pult der Wiener Symphoniker zurück und hält temporeich mit dem Geschehen auf der Bühne mit. Ouvertüre, Ballettmusik und Zwischenspiele geben reichlich Platz mit dem Orchester seine Interpretation zu malen. Barocke Gleichmäßigkeit belässt er technisch sauber im Takt, klassisch anmutende Motive und Melodien lässt er schwingen und arios erklingen. Bestens vorbereitet und überzeugend der Arnold Schönberg Chor unter der Leitung von Erwin Ortner.
Elza van den Heever debütiert als Julia, wirkt aber für die Rolle der jungfräulichen jungen Priesterin zu gesetzt. Ihre Stimme fangt in den Spitzentönen zu brechen an und wird mit zu viel Kraft von ihr unterlegt. Gleichwohl ist ihr Sopran unverändert hell und klar und leichtgängig in den Läufen. In ihre große Szene im zweiten Akt legt sie spür- und hörbar viel Gefühl und Aufmerksamkeit und kreiert so einen Höhepunkt des Abends. Viel Belcanto garantiert Michael Spyres als ihr Geliebter Licinius. Der junge Amerikaner besticht mit einem kräftigen aber leicht führbaren Tenor. Dunkel angefärbt bekommt er auch eine heldenhafte Note. Ebenso sicher und klar, dafür jugendlich hell singt Sébastien Guèze den treuen Freund und Mitstreiter Cinna. Neben gesanglichen Herausforderungen überzeugt er auch mit seinen sportlichen Qualitäten am Reck, an den Ringen und Bodenturnen. Franz Josef Selig nutzt seine Bühnenerfahrung um in seiner Rolle als Hoher Priester immer wieder auch in das Wechselbild des Vaters am häuslichen Tisch zu springen. Stimmlich sicher bringt sein voller Bass ein herrschaftliches Ambiente zum Ausdruck. Claudia Mahnke nutzt ihre wenigen Auftritte mit entsprechend ausdruckstarker nuancenreicher Mezzo Stimme und schauspielerischem Geschick.
Am Ende Beifall für Chor, Sänger und Musker, das Regieteam muss sich dem Missfallen des Publikums stellen.
Copyright Werner Kmetitsch
17. November 2019 | Drucken
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