Giuseppe Verdi Don Carlo Bayerische Staatsoper München 28.9.2022
Wiederkehr der überzeugenden Inszenierung des Don Carlo zum Saisonauftakt in München
Zum Saisonstart bringt die Bayerische Staatsoper die Wiederaufnahme von Giuseppe Verdis grande Opera Don Carlo nach dem gleichnamigen dramatischen Gedicht Friedrich Schiller. Ursprünglich als Auftrag der Pariser Oper in französisch 1867 entstanden, wurde das Werk vom Komponisten bis zu sieben Mal überarbeitet. Heute wird zumeist die fünfaktige Fassung in Italienisch aufgeführt.
Der bekannte deutsche Bühnenbildner Jürgen Rose übernahm 2000 auch Regie und Kostüme der Aufführung. Bildgewaltig droht ein überdimensionales Kreuz mit Gekreuzigtem auf der rechten Seite eines geschlossenen dunklen Guckkastens als Ausdruck der erdrückenden Herrschaft der katholischen Kirche in der düsteren Zeit der Inquisition im Spanien des 16. Jahrhunderts, der sich auch die weltliche Macht der Königsfamilie unterordnen muss, deren Geschichte und inneren Konflikte erzählt wird. Der Infant Don Carlo verliebt sich in die französische Königstochter Elisabeth, die gegen die ursprüngliche Abmachung der Verlobung der beiden mit dessen Vater König Philipp II aus politischen Gründen verehelicht wird. Der zerstörerische Zwist zwischen Vater und Sohn, das seelische Leid der Dreiecksgeschichte wird thematisiert.
Die Inszenierung zeigt meisterhaft in historischen Kostümen die beklemmenden Zustände am Hof, das herzlose Zeremoniell und die strenge Etikette, die Verdi unmissverständlich in seiner Musik wunderschön ergreifend auskleidet. Die zahlreichen Arien gehören zu seinen Meisterwerken.
Dem jungen italienischen Dirigenten Andrea Battistoni gelingt es am Pult des Bayerischen Staatsorchesters diese Gefühlswelt der Partitur leuchten zu lassen. Wuchtig setzt er den Konflikt der Mächte in dramatischen Sequenzen mit mitunter scharfen Tutti der Musiker um. Ehrgeizig feilt er an den intimen Darstellungen der Gefühlswelt und Beziehungen der Protagonisten. Dabei integriert er umsichtig die Sänger und gibt ihnen viel Raum.
Der Amerikaner Stephen Costello überzeugt mit einer kraftvollen einfühlsamen Umsetzung in der Titelrolle. Sein Don Carlo ist geprägt von Emotionen, Leid und Ausweglosigkeit, der er sich wenig rebellisch unterwirft. Dabei folgt sein Tenor mühelos in allen Lagen und wärmt mit vollem hellen Timbre. Mitunter fehlt ihm die schauspielerische Gestik. Dies kann auch an mangelnder Einweisung in die Personenregie der Inszenierung liegen.
Der Ukrainer Dmitry Belosselsky gibt mit vollem Bass den Despoten Philipp II. Seine väterliche Liebe unterdrückt er hoheitsvoll. Seine Machtlosigkeit im Konflikt von Amt und eigenen Gefühlen streicht er geschickt nuanciert vor allem in seiner großen Arie „Sie hat mich nie geliebt“ heraus.
Die Rolle des Posa ist zentral und verbindend in dieser Konfliktwelt. Igor Golovatenko fügt sich mit seinem umfangreichen Bariton mit viel Präsenz und kräftig geführter und dunkler Stimme in die Handlung ein.
Ana Maria Martinez ist eine spröde Elisabeth. Ihr Sopran verengt sich ab und an in den Höhen und schimmert wenig. Die feine Mittellage schmeichelt warm und voll. Auf Dramatik setzt Clementine Margaine. Mit Inbrunst zeichnet sie eine kämpferische Außenseiterin am Hof. Die anspruchsvollen Tonsprünge in ihren Arien verschluckt sie mitunter wie auch eine klare Aussprache. Eindrucksvoll ist hingegen die schillernde Kraft der Stimme.
Als Großinquisitorund Gegenspieler des Königs fehltRafal Siwek mitunter die durchschlagende Bassstimme, die aus früheren Aufführungen zumeist die Auseinandersetzung der beiden zu den Höhepunkten des Abends werden ließ. Mirjam Masek überzeugt als Page mit einer frisch sprühenden leichten sicheren Stimme.
Viel Beifall und Begeisterung am Ende für alle Beteiligten. Die Freude der Wiederbegegnung mit diesem Werk und der beliebten sehr gelungenen Inszenierung nach mehreren Jahren der Abstinenz ist spürbar.
Dr. Helmut Pitsch
30. September 2022 | Drucken
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