Giuseppe Verdi Simon Boccanegra Wiener Staatsoper 11.4.2024
Wien- Erstklassige Repertoire Vorstellung mit frischen Stimmen in Simon Boccanegra
Mehrmals arbeitete Giuseppe Verdi an seiner Vertonung der Lebens- und Liebesgeschichte des Genueser Dogen Simon Boccanegra, der im 16. Jahrhundert die Geschicke der Stadt lenkte und mit der Konkurrentin Venedig Krieg führte. Es geht um politische Rivalitäten, die zwischen Familien ausgetragen werden und deren junge Generationen sich in unerwünschte Lieben verstricken. Ein Stoff mit Komplikationen ganz nach den romantischen Opern Verdis.
An der Wiener Staatsoper wird nun in einer Wiederaufnahme die Inszenierung von Peter Stein aus dem Jahr 2002 gezeigt. Minimalistisch ist die Bühnenbildgestaltung von Stefan Mayer der historischen Altstadt am Mittelmeer, gut ausgeleuchtet, ergänzt mit Bildprojektionen werden Stimmungen unterstützt. So erkennt u a der alternde Doge auf einer hellen Bank vor einer weiss erleuchteten Steinbank auf der sonst leeren Bühne in Amelia seine lang gesuchte verlorene Tochter wieder.
Wesentlich wird die gefühlsgeladene Handlung aus dem Graben von Marco Armiliato meisterhaft am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper erzählt. Selbst in Genua geboren, vermittelt er mit einer packenden Intensität die unerbitterliche Feindseligkeit Fiescos, der dem Titelheld, dem heimlichen nicht gewünschten Geliebten seiner Tochter nicht verzeihen kann. Genauso giesst er berührende Emotionen in die Gefühlswelt von Boccanegra und seine Tochter. Sie bringt die Helligkeit, Hoffnung in die düstere hasserfüllte Geschichte. Beeindruckend schafft Armiliato es in rascher Folge die Klangwelt immer wieder neu zu gestalten. Geschickt ist der Umgang mit Lautstärke und Volumen, fordernd auch im Tempo und die Spannung nicht zu verlieren. Das Orchester zeigt seine Qualitäten, mit hörbarer Freude folgen sie dem Italiener in dessen heimatliche Italianita.
Auch die Besetzung macht viel Freude. Besonders überzeugt der kurzfristig für den erkrankten Luca Salsi eingesprungene Daniel Luis de Vicente. Der Spanier verfügt über einen robusten Bariton eingebettet in einem warmen hellen Timbre, der sich in der Höhe verschlankt. Schwer mutet die Melodieführung passend zur Last seines Amtes und der Tragik seiner persönlichen Lebensgeschichte. Große Durchschlagskraft zeigt er in der Schwurszene. Federica Lombardi erfüllt als Amelia ihre Rollenaufgabe als leuchtende Hoffnung und versöhnende Glücksbringerin in der hasserfüllten Männerwelt. Berührend gefühlvoll erzählt sie ihre Lebensgeschichte dem Dogen, um dann aus ihrer Melancholie der Abstammung in die Freude des wiedergefundenen Vaters zu verfallen. Selbstbewust erscheint sie vor dem Rat der Stadt und einfühlsam beschwichtigt sie den Geliebten. Es gelingt ihr eine wohlgeformte Kombination aus Dramatik und engelsgleicher Reinheit. Etwas kantig und hölzern wirkt Freddie de Tommaso als politischer jugendlicher Hitzkopf und rachesinnender Gegner des Dogen, sowie des Geliebten von dessen Tochter. Viel Kraft legt er in die Forti seiner Auftritte als Gabriele Adorno, zuwenig Schmelz und Lyrik in seine Gestaltung. Kwangchul Youn ist ein bekannt sicherer und präsenter Bass, der dem starrsinnigen Gegner Fiesco ein klares Profil gibt und auch menschlich sanfte Züge schimmern lässt. Clemens Unterreiner überzeugt wieder als ungestümer machtbesessener Paolo, der versucht seine Ambitionen durchzusetzen. Sein Bariton ist gut gebettet und er führt ihn sicher und leicht in den Melodien. Dan Paul Dumitrescu ist ein zurückhaltender Pietro.
Chor und Extrachor der Wiener Staatsoper sind wieder einmal beeindruckend präsent und gut vorbereitet. Als Volk füllen sie die Handlung mit fanatischen wie mitfühlenden Szenen.
Großer Beifall für diese hochwertige Repertoire Vorstellung.
Dr. Helmut Pitsch
13. April 2024 | Drucken
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