PLAYING TRUMP
(Bernhard Lang)
Premiere am 20.08.2021
Staatsoper Hamburg
Die Staatsoper Hamburg beginnt die Spielzeit mit einer eindrucksvollen Produktion einer politisch Billigoper unter Mitwirkung erfahrener Spezialisten der zeitgenössischen Musikszene
Für den österreichischen Komponisten Bernhard Lang ist die kleine Form der Oper auch ohne die Zwänge der Corona-Pandemie reizvoll und künstlerisch aussagekräftig. So hat er neben seinem umfangreichen Gesamtwerk mittlerweile drei Cheap Operas zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Themen kreiert. Die erste basiert auf Aussagen rechts-populistischer Politiker in Europa, insbesondere in der Zeit unmittelbar in und nach der Flüchtlingskrise, die dritte nähert sich dem Thema der Parkinsonkrankheit.
Die zweite Billigoper kam nun in der Hamburgischen Staatsoper zur Aufführung. Das von Dieter Sperl verfasste Libretto basiert auf Redetexten von Donald Trump, an die wir uns bei erneuten Hören wieder erinnern. Die Libretto-Struktur ist damit rein dokumentarisch, nicht fiktional-narrativ. Die Instrumentalseite wird von nur fünf Musikern ausgeführt. An der E-Gitarre Christian Kiefer, am Saxophon Andreas Mader und an den Synthesizern Johannes Harneit sowie Robert Jacob. Die äußerst anspruchsvollen und vielseitigen Aufgaben am umfangreichen Schlagzeug meistert Lin Chen bravourös.
Der Intendant der Hamburger Oper, Georges Delnon inszenierte diese Produktion. Er lässt äußerste Abstinenz walten. Wir kennen die Redetexte aus den Regierungsjahren von Donald Trump. Wir erinnern unvergesslich, dass diesen eine Mehrheit der Wähler einer der reichsten und mächtigsten Nationen dieser Erde gewählt hat. Eine Nation, deren besonderer Stolz es zudem ist, die demokratischen Werte der westlichen Welt zu bewahren und – gewollt oder ungewollt – in andere Länder zu übertragen. Und wir wissen, dass nur mit einer knappen Mehrheit diese Nation Trump bei der letzten Wahl nicht wiedergewählt hat.
Vor diesem Hintergrund agiert die weibliche Darstellerin von Trump ganz ohne die typischen, möglicherweise erwartbaren Äußerlichkeiten. Keine amerikanische Fahne, keine weiß-gelbe Trump-Frisur, keine allzu-spezifische Trump-entlehnte Mimik. Es geht also nicht um Trump in erster Linie, sondern um die Systemrelevanz der Aussagen.
Die eindrucksvolle Sopranistin Donatienne Michel-Dansac ist erfahrene Expertin der zeitgenössischen Musik, vielfach engagiert bei Uraufführungen neuer Kompositionen, einschlägige Dozentin und auf ihrem Gebiet vielfach ausgezeichnet.
Sie tritt zunächst unscheinbar und fast verletzlich auf, um danach die nicht nur rhythmisch anspruchsvolle Partie mit blitzschnellen Taktwechseln, herausfordernd zwischen hoher Stimmlage, Sprechen und Sprechgesang bis hin zu exaltierter Geräuschproduktion changierende Rolle musikalisch beklemmend zu meistern.
Es entsteht ein beängstigendes psychologisches Portrait eines Archetypus des rechts-populistischen Demokratieverächters, der nicht nur in der Person Trump, sondern bereits in weiteren Varianten auf der politischen Bühne zu erleben war, schlimmer noch: auch in der Zukunft zu befürchten steht.
Die Reden und Phrasen werden in der Komposition in 16 Kapiteln in teilweise gehetzter Form und vor allem unendlichen Wiederholungen vorgetragen. Biographische Prägungen junger Jahre stehen am Anfang, der geplante Bau der Mauer entlang der mexikanischen Grenze des Landes, der Kampf gegen Hillary Clinton oder auch sogenannte Fake News prägen neben anderen Elementen die Inhalte.
Die Penetranz dieser Phrasen und derer Wiederholungen werden durch ein elektronisches Spruchband unterstützt, das die Texte und Phrasen als Aussagen, Beschimpfungen und Anklagen in visuell unterschiedlicher Form zusätzlich als Übertitel sichtbar macht.
Hinter diesen tragik-komischen Elementen des Spiels wird die Methodik der politischen Agitation sichtbar, die wir allzu schnell vergessen oder verdrängen.
Speziell gegen Ende – „now in total freefall“ - lassen die ewigen Wiederholungen den Sprecher immer unkontrollierter und psychisch labiler erscheinen, die Situation ist gefährlich außer Kontrolle. Es drängt sich die Sorge auf, wohin eine potentielle zukünftige Situation dieser Art – mit welchem Politiker auch immer - führen mag.
Die gesamte musikalische Umsetzung liegt in den Händen des Dirigenten Emilio Pomàrico. Auch er ist ausgewiesener und langjährig erfahrener Spezialist in der zeitgenössischen Musikszene. Durch seine persönliche Nähe zu einer Reihe von Komponisten ist ihm immer wieder die Aufgabe übertragen worden, deren Werke zur Uraufführung zu bringen. Trotz der insgesamt kleinen Besetzung wäre die Leistung des Ensembles ohne die einfühlsame und hingebungsvolle Führung von Pomàrico nicht vorstellbar.
Langer Applaus des corona-bedingt noch ausgedünnten Publikums in der Probenbühne der Staatsoper. Die Veranstaltung musste wegen der kühlen Temperaturen und unaufhörlicher Regenschauer vom Open Air-Bereich sehr kurzfristig in geschlossene Räume verlegt werden.
Es bleibt die Frage, wie sich die Konzeption unter offenem Himmel - wie ursprünglich vorgesehen - neben der Elbphilharmonie mit gänzlich anderen Licht- und Klangbedingungen ausgenommen hätte. Die dort unter freiem Himmel installierte Soundanlage hat in anderen Fällen eine nachgerade gewaltige Wirkung entfacht und hätte unter Umständen den bedrohlichen Gehalt der politischen Aussage physisch noch näher an den Betrachter getragen.
Achim Dombrowski
23. August 2021 | Drucken
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