Basel - Eine Walküre ohne Helden

Xl_29273ac8-5092-416a-85db-88a77a0ffe98 © Ingo Höhn

Richard Wagner Die Walküre Theater Basel 23.6.24

Basel- Eine Walküre ohne Helden

Weiter spinnt das Regieteam um den Intendanten des Theater Basel Benedikt von Peter den Schicksalfaden der Protagonisten des ersten Abends der Tetralogie Die Walküre aus dem Ring des Nibelungen von Richard Wagner. Im Rheingold begann der Rückblick der sinierend sinnigen Brünnhilde, die einer theatralischen Familienaufstellung gleichkommt. Das Bühnenbild von Natascha von Steiger bleibt unverändert zum Rheingold. Walhall als Gerüst, die Schicksalseiche als sterbendes Mahnmal ohne Rinde und Äste, der schmucklose lange Tisch und Stühle aus hellem Holz als Symbol des aufgerührten Familienlebens.

Wieder leitet Brünnhilde mit markigen Worten der Erinnerung und der Anklage ihres Vaters, dem machthungrigen Gottvater Wotan, ein. Er bestimmt das Schicksal seiner Kinder, ob Walküren oder Wälsen, will alle zu Helden erziehen, das nicht gelingt. Die Walküren mühen sich bereits mit ihrer Aufgabe, gefallene Krieger zu sammeln ab. Ein sattelloser Schimmel wird auch herumgeführt. An einer Feuerstelle sammeln sie sich, interessanterweise sitzt Hunding auch schon am Feuer und Wotan dirigiert mit seinem Speer herum, Siegmund und Sieglinde liegen sich im Hintergrund in den Armen.

Dann setzt das Vorspiel ein und hektisch schickt Wotan Siegmund in den Krieg, Sieglinde wird von Hunding abgeführt. Bereits zur Musik des Vorspiels kämpft er mit Siegmund, der mehrmals zu Boden gestreckt wird. Benedikt von Peter zeichnet die Charaktere neu, verfremdend zur geläufigen Deutung, bleibt aber in der intensiven Personenregie dem Text treu und die berühmte Liebesgeschichte zwischen den Geschwistern Siegmund und Sieglinde entwickelt sich. Im Hintergrund aber erlebt der Betrachter reges Geschehen der Götter. Fricka hat ein Auge auf das Geschehen für Hunding, Ebenso Wotan, der als omnipräsenter „Vater und Greis“ eine deutliche Rolle im Text einnimmt, setzt immer wieder Anweisungen an die Wälsen, seine außerehelichen Kinder. Auch Jung-Siegfried hat er im Schlepptau.

Ungewohnt endet der erste Akt, Siegmund wird von Froh und Donner an einen Sessel gefesselt und Hunding schleppt seine Sieglinde über die Schulter gefasst, hinaus. Die ständige Präsenz so vieler Charaktere, die in die Handlung eingreifen, ermüdet die Aufmerksamkeit und nimmt die Spannung. Dazu stören auch die Unterbrechungen und eingespielten Worte Brünnhildes in ihrer Selbstfindung.

Zum Vorspiel des zweiten Aktes herrscht wildes Treiben in Walhall. Die Götter beobachten das aufgeheizte Feiern der Walküren, die dann als Gruppe Wotan das Nahen seiner Frau Fricka ankündigen. Geschickt untermauert die Regie den epischen Monolog Wotans mit den Figuren des Puppentheaters, das sich wieder auf der Bühne befindet und bereits im Rheingold eine epische Rolle spielt. Der mythische Glanz der Todesverkündigung schwindet durch eine erneute szenische Unterbrechung sowie das Mitwirken von Wotan und Jung Siegfried, der bereits mit seinem Vater einen Schwertkampf fichten darf. Froh und Donner betätigen sich als „Walküren“ und verpacken den von Wotan gerichteten Hunding und entsorgen diesen.

Die zündende Idee der Familienaufstellung durch die Regie zerfledert immer mehr die eigentliche Dramaturgie seines Schöpfers. Der Walkürenritt, das wohl bekannteste Motiv der Oper verläuft wenig spektakulär, Wotan mischt sich vor seiner Ankunft im Text unter die stampfenden Kämpferinnen und unvermittet ersticht er Sieglinde bevor diese ihre Flucht antreten sollte. Ihr Leichnam wird zwischen durch wieder von Froh und Donner entsorgt. Auch Jung Siegfried ist mitten im Geschehen und scheint in tiefem Schlaf versetzt. Während des Feuerzaubers erscheint Mime und trägt den Knaben samt zerbrochenem Schwert des Vaters weg. Brünnhilde wird von Wotan wenig liebevoll in Walhall aufgebahrt und ein dünnes Feuerband, das schnell erlischt, soll sie beschützen.

Was durchweg originell und sinnig in Rheingold, dem Vorspiel des Ring, als Psychodrama einer Familiensaga aufging, gelingt nicht in der Fortsetzung der Tetralogie. Die Regie setzt auf zu viele Personen als stumme Rollen, die in der Handlung nicht mehr oder noch nicht vorkommen, obwohl sie sich ohne inhaltliche Verfremdung weitgehend an das Libretto hält. Die Allgegenwart des dominanten alles bestimmenden Vaters ist zentral für das Regiekonzept. Diese aus der Sicht der geliebten und verstoßenen Tochter zu beleuchten ist ein nachvollziehbarer Ansatz, aber als Therapie ohne verfolgbaren Lösungsansatz umgesetzt. Der ohnehin beladenen Geschichte wird so noch weitere Last auferlegt. 

Der spezielle Orchesterklang aus dem zugedeckten Graben unter der Bühne umspielt das Geschehen mit reduzierter Phonzahl, sodass die Musik untermalt aber wenig Handlungsakzente setzen kann. Jonathan Nott zeigt aber mit dem Basler Sinfonieorchester einen transparenten, weich ausmusizierten romantischen Klang. Die Leitmotive treten immer wieder hervor und vermitteln einen ruhenden Pol zum mannigfaltigen Geschehen auf der Bühne darüber.

So gerät der Abend von der Regie gewollt zu einem Schauspiel und somit ist auch die Leistung der Sänger im Spiel besonders gefordert. Nathan Berg als Wotan baut seine Wirkung mehr auf durchdringende Sprache denn stimmführenden Gesang. Sicher durchströmen einzelne kraftvoll geführte Töne, zumeist bleibt er aber ausgesungene Melodien schuldig. Umso mehr füllt er die Omnipräsenz seiner Rolle durch die Regie mit großem schauspielererischen Talent aus. Trine Møller ist eine sichere Brünnhilde, die gesanglich wenig nuanciert und gleichförmig wirkt. Durch das Konzept des Rückblicks auf ihr Leben und ihre Erziehung erhält ihre Rolle eine besondere Aussagekraft. Sie erscheint als zerrissene Heldin in ihren Gefühlen, mehr rebellisch aus Abneigung als Liebe zum Vater. Diese Zerwürfnisse gelingen Trine Moller in Gestik und Mimik und verleiht ihrem Spiel eine besondere Note. 

Ric Furman besitzt einen warmen Tenor, der in Lyrik erfreut aber in der Dramatik an Überzeugungskraft als Siegmund vermissen lässt, teilweise fehlt ihm die Wortverständlichkeit und richtige Betonung. Theresa Kronthaler ist eine farblose Sieglinde, die auch kein klares Charakterbild vorgegeben hat,. Solenn’ Lavanant Linke ist eine verunsicherte, eingeschichterte Fricka, In der Konfrontation mit Wotan setzt sie wenig Schärfe, zu hell schimmert ihre Stimme. Ein wahrer Riese ist Artyom Wasnetsov, der so als Hunding schon in der Erscheinung angsteinflössend ist. Dunkel und schwer fällt sein Bass, der nur wenig schwingt.

Am Ende geben ein paar zaghafte Buhs ihr Missfallen zur Regie zum Ausdruck, für die Sänger und das Orchester ertönt kräftiger Jubel im nahezu ausverkauften Haus.

Dr. Helmut Pitsch

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