Blutleere Cavalleria - Berührender Bajazzo neuinszeniert in Linz

Xl_img_2300__002_ © Helmut Pitsch

Pietro Mascagni Cavalleria Rusticana Ruggero Leoncavallo I Pagliacci Landestheater Linz 7.12.2023

Blutleere Cavalleria - Berührender Bajazzo neuinszeniert  in Linz

Die Schicksalsgemeinschaft dieser beiden Opern hat zu deren Überleben und anhaltenden Erfolg geführt. 1893 erstmals in New York gemeinsam aufgeführt etablierte sich das Gespann rasch im Opernrepertoire. Nun ist auch in der Regie von Alexandra Liedtke eine Neuinszenierung des Doppel für das Landestheater Linz entstanden.

Quer über die Bühne reicht ein offener Quader beweglich unterteilt in Räume.Bühnebildner Raimund Orfeo Voigt sperrt die Geschichte in ein enges Korsett, dynamisiert die Konflikte in der Beengtheit. Eine Idee, die für beide Eifersuchtsdramen passen könnte, doch es gibt zahlreiche szenische Brüche und insgesamt fehlt eine intelligente Personenregie, zumal manch junger Sänger im Spiel Defizite zeigt.

Cavalleria rusticana basiert auf einer sizilianischen Novelle und zeigt die übersteigerten Ehrgefühle der Landbevölkerung. Pietro Mascagni reichte das Werk 1889 bei einem Kompositionswettbewerb ein und ging als Sieger hervor. Santuzza sieht sich von Turridu in ihrer Liebe und Ehre betrogen und schildert Alfio den vermeintlichen Ehebruch seiner Frau Lola mit Turiddu. Dies führt zum tragischen Tod des Geliebten. 

Der deutschen Regisseurin gelingt in ihrer Arbeit nicht, dem Werk eine Spannung zu geben und dem Drama eine logische Entwicklung zu gestalten. Santuzza wird zu Beginn überbewertet und steht von der Regie alleingelassen mit wenig Gesten lange tonlos in Mama Lucias Weinstube. Nebenan sitzt ein Junge, Lola und Alfios von der Regisseurin erfundener, nicht wirklich notwendiger Sohn und streichelt eine Katze. Daneben in einem weiteren Raum begeht seine Mutter mit Turiddu Ehebruch. Der Chor zwängt sich aus dem Off in den Mittelraum und fungiert mit einigen monotonen Gesten. Immer wieder werden von Protagonisten die Oberkleider an und ausgezogen, ein ermüdendes Bewegungselement mit wenig Aussagekraft. So tritt auch ein Statistenpaar während der Prozessionsszene lähmend in Erscheinung bevor sie dann mit Opferlamm und Kreuz unter einer Madonna mit Strahlenkranz zu liegen kommen. Diese Inszenierung, arm an guten Ideen, kommt nicht wirklich in Schwung. 

Auch musikalisch gelingt es dem ständig ins kräftige Forte drängenden Claudio Novati wenig, Intimität und Gefühle aufkommen zu lassen. Das Brucknerorchester und der Chor sind gut einstudiert und überzeugen mit ihrer Leistung. 

Ein tiefer gelegter Orchestergraben und ein deutlich nuancierteres Dirigat lässt im folgenden I Pagliacci wahre Klänge des Verismo vernehmen. Deutliche Pianistellen, vollmundige Legati und im satten Klang untermaltes Begleiten der Sänger verströmen Gefühle und bewirken Spannung.Gestalterisch bewegen wir uns wieder in (zu) kleinen Räumen und nicht immer im Ablauf logisch. Das Eifersuchtsdrama mit Doppelmord des jungen Ruggero Leoncavallo passt in die aktuelle Diskussion über Femizide und die häusliche Gewalt an Frauen. 

Ein spielfreudige geschickte Erica Eloff als Nedda schafft die richtige Bühnenathmosphäre und beeindruckt mit ihrem kräftigen klaren Sopran.Sung Kyo Park zeigt großes Stehvermögen mit seinem Doppelauftritt als Turiddu in Cavalleria rusticana und Canio in I Pagliacci. Er scheint unermessliche Kraftreserven zu haben, wirkt in der Höhe sicher und lässt als Canio auch feine lyrische Ansätze hören. Ebenso ist Adam Kim in beiden Einaktern mit seinem trockenen und sicheren Bariton sowohl als Alfio als auch als Tonio überzeugend. Sein Prolog ist fassettenreich und gut präsentiert.

Mit Pathos und wachsender Lockerheit liefert Alexander York als Silvio ein rührendes honores Liebesbekenntnis und zeigt spielerischen Wagemut gegenüber dem verräterischen Tonio und rasenden Canio. Elena Batoukova Kerl ist stimmgewaltig als verzweifelte Santuzza, die nach Rache sinnt. Christa Ratzenböck ist eine feine zurückhaltende Mama Lucia, die von der Regie unter Wert gezeichnet ist.

So wirkt der Abend besonders durch die musikalische Darbietung sehr gegensätzlich in der Wirkung. Erhofft sich der Zuschauer in Cavalleria noch mehr Prägnanz in der Handlung und Spannung in den Konflikten, fiebert er in I Pagliacci mit aufziehenden Unbehagen der drohenden Tragödie entgegen. 

Selektiv verhaltener Beifall im Publikum.

Dr. Helmut Pitsch



| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading