HANNOVER/Staatsoper: DON GIOVANNI am 26. September 2020
Don Giovanni als Einakter – Corona fordert seinen Zoll!
Sieben Stühle stehen abgestuft auf der Bühne der Staatsoper Hannover, dahinter ein Gazevorhang, hinter dem man wiederum das Orchester sieht. Man fühlt sich unmittelbar an die halbszenischen Produktionen von Gustav Kuhn in Erl erinnert. Tobias Mertke mit dramaturgischer Unterstützung von Julia Huebner war für die schlichte szenische Einrichtung verantwortlich, gemeinsam mit Marvin Ott auch für Bühne (Bühnenbild lässt sich ja nicht sagen) und die schlichten Alltagskostüme, Elena Siberski für das stets szenengerecht eingesetzte Licht.
Und dann kommt alles recht kurz, 100 Minuten in einem Durchgang, also Mozarts „Don Giovanni“ als Einakter – ungewöhnlich. Aber die Corona-Hygieneauflagen sind in Niedersachsen offenbar so streng, dass man nicht nur auf eine Pause verzichtet, sondern auch das Parkett recht schütter besetzt. Der eine oder andere Platz hätte wohl noch genutzt werden können, wenn man beispielsweise an die Salzburger Festspiele denkt, bei denen bei einer bisweilen über fünfzigprozentigen Auslastung alles gut gegangen ist.
Trotz dieses szenischen Spartanismus entstand jedoch ein Opernabend mit enger gewissen Spannung und Homogenität, auch aufgrund des engagierten und dynamischen und dem „Don Giovanni“ voll gerecht werdenden Dirigats des jungen James Hendry, Erster Kapellmeister an der Staatsoper Hannover. Er schuf auch eine sehr enge Koordination mit den Sängern, die seinen Taktstock über Monitore vor ihnen am Rand des ursprünglichen Orchestergrabens sahen.
Germán Olivera war als typischer Latin Lover aufgemacht und gab den Don Giovanni mit einem geschmeidigen, aber nicht allzu großen Bariton. Sein Leporello, der Bass Shavleg Armasi wirkte für die Rolle zu alt, glänzte aber durch eine klangvolle Stimme mit großer Wortdeutlichkeit. Hailey Clark war eine stimmlich etwas flatterhafte Donna Anna, was sich aber im Laufe des Abends besserte. Einen guten Eindruck hinterließ sowohl stimmlich wie darstellerisch Anaik Morel als Donna Elvira die insbesondere mit ihrer klang- und charaktervollen sowie etwas abgedunkelten Mittellage überzeugte. Auch Nikki Treurniet konnte als Zerlina überzeugen, während Yannick Spanier als Masetto unscheinbar blieb. Daniel Eggert war in seine kurzen pantomimeartig gestalteten Todesszene ein Komtur mit klangvollem Bass. Long Long als Don Ottavio sang die berühmte Arie nicht als der übliche chancenlose Fantast mit beschränktem Realitätsvermögen. Mit einem kraftvollen und stabilen Tenor gestaltete er die Rolle mit weit mehr Gewicht und glänzte noch mit dem überraschenden Einschub eines hohen Cs! Von ihm wird man in anspruchsvolleren Rollen noch sehr viel hören.
In meinem Gespräch mit Sir Bryn Terfel anlässlich seines Pizarro-Debuts in „Fidelio“ auf der Kasemattenbühne Graz im August meinte er zu möglichen Veränderungen der Aufführungspraxis im Lichte der offenbar noch anhaltenden Corona-Krise: „Who knows, maybe the directors and most importantly the set designers have to change their ways just for a little while. Maybe, a couple of years where productions are very different and, maybe, bring back those one-act operas that we dearly love like “Il tabarro“, „Gianni Schicchi“, like Walton's „The Bear“, and others. These, perhaps, could be our saviours in the operatic realm to bring a sense of, maybe, having new commissions, maybe composers writing new operas.”
So interessant das Hannoversche Experiment mit der halbszenischen einaktigen Version des Zweiakters „Din Giovanni“ ist, so wenig sollte dies ein längerfristiges Modell für die Aufführung mehraktiger Opern und Musikdramen werden. Sie würden dann schnell von den Spielplänen verschwinden. Also: Entweder, oder! Von den großen Musikdramen Richard Wagners sollten Intendanten und Regisseure dann besser gleich die Finger lassen. Dass dies nicht gelingt, hat der Versuch des sog. „ColónRing“ 2012 am ehrwürdigen Teatro Colón in Buenos Aires bewiesen.
Foto: Clemens Heidrich
Klaus Billand
02. Oktober 2020 | Drucken
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