Ein begeisternder neuer „Ring“ in Sofia!

Xl_walk_resofia © Setoslav Nikolov

SOFIA: DAS RHEINGOLD und DIE WALKÜRE - Premiere am 8. und 7. Juli 2023

Ein begeisternder neuer „Ring“ in Sofia!

Als gestern Abend nach dem letzten Takt des Feuerzaubers der „Walküre“ Constantin Trinks den Taktstock senkte, brach das bulgarische und aus weiten Landen angereiste Publikum in der Sofia Oper und Ballett in begeisterten Jubel aus. Der Generaldirektor der Sofia Oper und Regisseur dieses zweiten „Ring“ des Hauses, Prof. Plamen Kartaloff, hatte wie schon mit seinem „Ring“ zuvor von 2010-2013 den richtigen Wagner-Nerv getroffen: Das Stück aus der Musik heraus zu inszenieren und damit entlang den Intentionen des Bayreuthers Meisters. Und siehe da! Es passte alles wunderbar zusammen, eine Personenregie in der „Walküre“ - auch aufgrund bereits rollenerfahrener Sänger - von einer solchen Intensität in völliger Harmonie mit der herrlich aus dem Graben erklingenden Musik, wie sie selbst für Kartaloff, einen intimen Kenner des Wagnerschen Oeuvres, bemerkenswert ist.

Es war emotional mitreißend, wie Martin Iliev als von Kampf schwer gezeichneter Siegmund, und Tsvetana Bandalovska als Sieglinde zusammen kommen und sie bei der Schwertgewinnung einen klangvollen Schrei der Begeisterung ausstößt, der auch im Publikum seine emotionale Wirkung nicht verfehlt. Dann folgen zwei „Neulinge“ in ihren Rollen im „Ring“ in Sofia, Thomas Hall als Wotan und Gergana Rusekova als Brünnhilde und schlagen ebenfalls großartig ein. Der US-Amerikaner Hall ist ein exzellenter Heldenbariton mit perfekter Stimmführung und der für den „Walküre“-Wotan erforderlichen Tiefe, bei großer Wortdeutlichkeit und bestechender mimischer Gestaltungskraft, sodass er sich perfekt in das ansonsten rein bulgarische Sängerteam einpasste. Gergana Bandalovska kommt auf einem feuerroten Grane zu ihrem schon eindrucksvoll gesungenen „Hojotoho“, dem sie dann mit einem schön abschattierten farbigen Sopran bei einer fast zu vernachlässigenden Grelle bei einige Spitzentönen, wo weniger mehr gewesen wäre, eine auch emotional beeindruckende vokale Leistung folgen lässt. Mariana Zvetkova ist eine nachdrückliche, matronenhafte Fricka mit hellem Mezzo. Angel Hristov hat als Hunding stimmlich keinen guten Abend, spielt die Rolle aber überzeugend. Auch das Walküren-Oktett war in großer Mehrheit im Sinne des nun begonnenen Wagner-Festivals Sofia festspielreif und im Ensemble vokal so stark auf seinen roten Pferden, die mit einer perfekten Choreografie geführt wurden, dass das Publikum zweimal beherzten Szenenapplaus gab – wo erlebt man das sonst?!

Hans Kudlich aus Wien ist Kartaloffs offenbar kongenialer Bühnenbildner und baute ihm drei sogenannte Triskelsauf die Bühne, die neben dem exotisch anmutenden Walhall und der geometrischen Behausung Hundings die den ganzen „Ring“ beherrschenden Bühnenelemente werden, ähnlich wie der große Ring und die Konusse in der vorherigen Produktion. Die Triskel, die wie halbe Brillen aussehen, präsentieren ein nordisches Symbol in Form von drei radialsymmetrisch angeordneten Kreisbögen, offenen Spiralen oder ineinander verschachtelten Dreiecken, mit denen auch das Rheingold hier gezeigt wird. Mit ihnen will Kartaloff die Spirale des Lebens in den vier „Ring“-Teilen zeigen und konstruiert die Folge der Szenen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Aktion. Die Triskel sollen in symmetrischer Balance oder auch separater Aufstellung die „Seele der Handlung“ in enger Beziehung zueinander zeigen. Dieses Konzept geht insbesondere mit der herrlichen und stimmungsvollen Lichtregie von Andrej Hajdinjak, die nachmal an die Farben von Chagall oder auch an die Ästhetik eines Wieland Wagner erinnert, dem Multimedia-Design von Ivan Liptchev und auch mit den passend interpretativen Kostümen von Hristiyana Mihaleva-Zorbalieva auf.

Im „Rheingold“, wie es aber auch der Charakteristik des Vorabends geschuldet ist, war die Handlungsdichte noch nicht so ausgeprägt wie in der „Walküre“. Gleichwohl können viele Bilder auch hier überzeugen, so vor allem Nibelheim mit sichtbar geschlagenen und perfekt gestimmten Ambossen. Die Riesen wirken wie Fabelwesen aus einer anderen Zeit. Plamen Dimitrov gelingt eine starke Charakterstudie des Alberich, und Daniel Ostretsov ist ein engagierter und sarkastischer Loge. Nikolay Petrov ist wieder ein altbewährter Wotan, wirkt aber, wenn man Thomas Hall tags drauf erlebt, der ja nach der „Ring“-Dramaturgie etwa 20 Jahre älter sein sollte, aber wohl 20 Jahre jünger ist, etwas aus der Zeit gefallen, zeitweise auch stimmlich. Krasimir Dinev ist ein sehr guter Mime.

Constantin Trinks erweist sich als gute Wahl Kartaloffs für die musikalische Leitung dieses neuen „Ring“. Er dirigiert mit einem unglaublichen Engagement in einer Intensität, die zu ständigem Kontakt mit allen Musikern führt und sie somit zu großer Motivation anreizt, die das Orchester der Sofia Oper und Ballett an beiden Abenden auch eindrucksvoll ausstrahlt. Trinks ist auch nicht eines gewissen Pathos‘ unhold, insbesondere im „Rheingold“, was seine geistige Nähe zu Hans Knappertsbusch zu belegen scheint. Von ihm und allen anderen ist für die kommenden beiden Abende noch viel zu erwarten. Angesichts der allgemeinen Begeisterung führte er schon nach der „Walküre“ das gesamte Orchester auf die Bühne. In Sofia gibt es eben noch Oper zum Anfassen!

Klaus Billand aus Sofia

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