Richard Strauss Ariadne auf Naxos Vicenza Opera Festival 24.10.2024
Eine künstlerische Zeitreise Ariadne auf Naxos als Commedia dell‘Arte in Vicenza
Der 1951 geborene ungarische Dirigent und Komponist mit jüdischen Wurzeln Iván Fischer ist eine vielseitige Künstlerpersönlichkeit. Neben seinen weltweit erfolgreichen Auftritten am Pult aller namhaften Symphonieorchester sowie Opernhäuser zeichnet ihn sein humanitäres Engagement für Flüchtlinge und das jüdische Erbe in Ungarn aus, das ihn immer wieder in Opposition zur Regierung bringt.
1983 gründete er das Budapest Festival Orchester, dessen Leitung er immer noch inne hat, sowie in 2018 das Vicenza Opera Festival, das sich dieses Jahr zum 7. mal im unvergesslichen architektonischen Juwel dem Teatro Olimpico von Andrea Palladio jährt.
Als Dank an die Bevölkerung der Heimatstadt des hochverehrten Renaissance Architekten lässt er in der Gasse vor dem beschaulichen Eingangstor des prächtigen, dem römischen Theater originalgetreu nachempfunden, einige Musiker seines Budapest Festival Orchester mit würdigenden Tönen aufspielen. Mitwirkende der diesjährigen Festspielproduktion von Richard Strauss Ariadne auf Naxos mischen sich in ihren Commedia dell Arte Kostümen unter das Publikum und versetzten die Anwesenden in ein anderes Zeitgefühl, das das Publikum im Innenraum des Theaters erwartet. Kaum betritt der Gast den Zuschauerraum entfahren ehrenhafte Töne der Verzückung. Seit 1580 unverändert erwartet ihn ein Halbrund mit breiten Holzstufen als Sitzplätze und römischen Statuen als Abschluss. Ein gemalter blauer Himmel mit zartweissen Wolken vermittelt die Athmosphäre im Freien zu sitzen. Es ist Palladios letztes Werk, dessen Fertigstellung er nicht mehr erlebt. Jahrelang studierte er römische Ruinen, um die Bühne mit drei Bögen und weiteren Statuen zur Dekoration zu erstellen. In den drei Bögen sind heute noch das Bühnenbild der ersten Aufführung von 1580 im Original erhalten, ein Strassenbild Thebens perspektivisch sich tief verjüngend, obwohl der Bühnenraum nur 11 Meter tief ist.
Ariadne auf Naxos, Vicenza Opera Festival 2024
Im Orchestergraben nimmt das Budapest Festival Orchester Platz. Einige Stühle sind noch frei und die Commedia dell’Arte Gruppe erlaubt sich einige Spässe zu Belustigung des Publikums. Zu Beginn des Abends erklingt die Orchestersuite von Richard Strauss „Der Bürger als Edelmann“. Die neoklassizistische Komposition mit Elementen der Barockmusik ist mit ihrem humorvollen Grundton bestens zur Untermalung der Darbietung der Komödianten geeignet und erinnert daran, dass die Oper Ariadne auf Naxos nach einer Aufführung von Molieres gleichnamiger Komödie in Stuttgart uraufgeführt wurde. Die weiteren in Gruppen hinzustoßenden Mitglieder des Orchesters werden mit hellblauen Hüten und bunten Umhängen geschmückt, auch vor dem Dirigenten wird zur Unterhaltung des Publikums nicht halt gemacht. So geht es gut aufgelockert in die Pause. Während dieser werden wenige Requisiten für die Opernaufführung hereingetragen, das Orchester wird mit Wellenwänden aus Pappmache eingerahmt.
Nach der Pause erklingt die einaktige Schöpfung von Richard Strauss und Hugo von Hoffmansthal ohne Vorspiel. Ariadne schläft auf einem kleinen unbequemen Felszacken. Die Höhle ist durch einen Rahmen mit Vorhängen angedeutet. Emily Magee singt so die Titelrolle mit ihrem kraftvollen leicht gedunkelten Sopran mitten im Orchestergraben und nah am Publikum. Die Intimität vermittelt Intensität und Spannung. Die drei Nymphen - Samantha Gaul, Olivia Vermeulen und Mirella Hagen - beklagen betörend rein mit gut zusammenpassenden Stimmfärbungen das leidvolle Schicksal Ariadnes nachdem sie von Theseus verlassen wurde. Anna-Lena Ebert versucht als Zerbinetta schwungvoll die Trauernde aufzuheitern. Bis in den Spitzentönen bleibt sie in der Erzählung ihrer jugendlichen Lebensphilosophie klar und leicht. Ohne Druck intoniert sie sicher Ihre Koloraturen. Die Tonsprünge sitzen. Ihre Kameraden aus der Commedia dell’Arte Theatergruppe leisten den beiden Gesellschaft und versuchen wie bereits vor der Pause mit ihren stilechten und stilvoll pointierten Späßen die beiden zu unterhalten ohne in Klamauk zu verfallen. Mit Andrew Staples erscheint am Ende ein beeindruckend frischer warm unterlegter lyrischer Tenor als heilsbrigender Bachus. Seine Circerufe strahlen aus dem Off bis er in einem kleinen Segelboot, von den Komödianten begleitet auftritt. Lang und vollmundig sind seine Legatobögen, dazu spielt das Orchester von Fischer aufgemuntert breiten romantischen Klang in der typischen Strauss Färbung mit Anklängen von Dissonanzen die sich in feinster Harmonie auflösen.
Der Regisseurin Chiara d’Anna und ihrem Team sowie dem Dirigenten Ivan Fischer ist in deren gekonnt humorvollen Regie mit wenig Mitteln durch die Choreografie und Personenführung durchgängig eine lebendige farbige Zusammenführung von Musik und Handlung gelungen. Das Engagement und die Spielfreude aller Beteiligten führt den Premierenabend zu einem großen Erfolg beim Publikum.
Großer herzlicher Jubel im vollen Theater, das in seiner Pracht einen glanzvollen Rahmen bildet.
Dr. Helmut Pitsch
27. Oktober 2024 | Drucken
Kommentare