Immer noch wird gerätselt, was Giacomo Puccini inspirierte, den Dreiteiler Il Trittico zu komponieren. War es die dreiteilige Göttliche Komödie von grossen italienischen Dichter Dante Alighieri oder die direkte Gegenüberstellung einer dramatischen, tragischen und komischen Oper in einer Einheit, die ihn veranlasste. 1918 wurden die drei Einakter unter dem Titel Trittico in New York mit mässigen Erfolg uraufgeführt. Nur Gianni Schicchi konnte sich in Verbindung mit anderen Einaktern auf den Spielplänen halten. In letzter Zeit findet aber das Original in Form der drei Einakter vermehrt zurück.
Das Tiroler Landestheater folgt diesem Trend und zeigt Il Trittico in einer Neuinszenierung des venezuelanischen Regisseur Carlos Wagner. Dieser sucht verbindende Elemente und ortet diese im Element Wasser und der Figur des Kindes. So lässt er im Vorspiel zu Il Tabarro - der Mantel, die Wogen der Seine und das Ertrinken des Sohnes auf den Vorhang projizieren, in Suor Angelica sind es Tropfen, die über eine Fläche perlen, eine Anlehnung an die goldenen Strahlen des Klosterbrunnens, für Gianni Schicchi ist es der Arno, die Handlung spielt in Florenz.
Die Liebe von Michele und Giorgetta, die Hauptpersonen von Il Tabarro erlischt nach dem Tod des gemeinsamen Sohnes. Michele entdeckt die Beziehung von Giorgetta mit seinem Arbeiter Luigi und bringt diesen in Folge um. Angelica wird durch die Geburt ihres unehelichen Sohnes ins Kloster gesteckt. Nach sieben Jahren erhält sie Besuch von ihrer hartherzigen Tante und erfährt vom Tod des Sohnes und sucht aus Leid und Verzweifelung den eigenen. In Gianni Schicchi, der komischen Familiengeschichte um das Erbe des verstorbenen Onkels spielt ein Kind keine wirkliche Rolle für den Handlungsablauf, wie auch insgesamt der Bezug zu diesen Bindeglieder in dem Regiekonzept nicht aufgeht. Aber auch nicht von Nöten ist.
Einfach und klar ist die Gestaltung der Bühne durch Christophe Ouvard. Schmucklos ist das Deck des Seinefrachters und dient so gleich als Klostergarten, der von Klosterzellen umgeben ist. Kalt sind die weissen Wände, die Gitterverschläge als Türen verstärken die Tristesse der Anlage. Die Gitter mit Türen ausgetauscht, in der Höhe mit Jalousien ausgedehnt befinden wir uns gleich im eleganten Sterbezimmer des reichen Onkels. Dazu leiten stimmungsvoll die Videoprojektionen von Slide Media Barcelona zwischen den Einaktern über.
Nur Carlos Wagner ist für seine Personenführung und Darstellung der jeweiligen Geschichten wenig eingefallen. Für die komplexe Gefühlswelt des Tabarro fehlen expressive Gefühlsdarstellungen. Wiederholte Umarmungen entsprechen nicht dem Konflikt und der emotionalen Verwerfung. Die seelische Grausamkeit der Fürstin und die bedingungslose Kapitulation Angelicas erzeugt keine Spannung noch Berührung. Im Übermass wird Papier durch die Luft geschmissen und eine schier endlose Papierrolle als Testament sowie überzogene Kostüme lassen die Komödie um die erbschleicherische Familie Donati zum Klamauk werden.
Seine eigene Interpretation sucht Tommaso Turchetta am Pult und verwechselt dabei Dramatik mit Lautstärke und Spannung mit Geschwindigkeit. So wird seine musikalische Gestaltung flach und die Schätze der Partitur leuchten nur milde. Das Orchester folgt ihm und spielt präzise, findet aber auch nicht zu einer harmonischen Klangwelt zusammen.
So gelingt es einzelnen Sängern durch die Qualität ihrer Darstellung und sängerischen Leistung Höhepunkte zu vermitteln. Daniel Luis de Vincente gelingt eine einprägsame runde Charakterstudie des vereinsamten Michele in Tabarro, der aus Eifersucht und Verzweiflung zum Mörder wird. Sein warmer und vollmundiger Bariton, der schöne breite Legati zeichnet hilft dabei. Sein bauernschlauer Gianni Schicchi fällt demgegenüber im Wirbel auf der Bühne ab. Anna-Maria Kalesidis steht als Giorgetta zerrissen zwischen ihren Gefühlen für Michele und Luigi, sucht Anlehnung und Geborgenheit, kann aber die alte Liebe nicht verdrängen. Es gelingt der jungen Russin mit griechischen Wurzeln nuanciert mit weichen Farben ausgekleidet mit ihrem Sopran ihre Stimmungen zu artikulieren. Förmlich aus dem nichts bricht Alejandro Roy mit kräftigem fein timbrierten und höhensicheren Tenor in Tabarro mit seiner Arie hervor und lässt romantisches Opernfieber in der sperrigen Partitur entstehen. Weit und vollmundig phrasiert er die Melodiebögen, schimmert in der Höhe und bleibt auch in der Tiefe verständlich. Karina Flores gelingt als Schwester Angelica ihre intime Gefühlswelt, die sie vor den erbarmungslosen Schwestern, der Äbtissin und insbesondere vor ihrer Tante verheimlichen muss in der Stimme auszukleiden, um in einem dramatischen Gefühlsausbruch die Wucht ihres Leides zum Ausdruck zu bringen. All dies kommt in der Frische und Flexibilität ihres Sopran zum Erklingen. Sicher in der Höhe gleitet sie leicht und flüssig in die verschiedenen Lagen. Anna Maria Dur bietet eine versteinerte verhärmte maskuline Tante mit prägnantem Timbre in ihrem Mezzo, aber es fehlt Kraft und Gift in der Darstellung. Tatiana Rasa sprüht mit Farbe und Höhe in der wohl berühmtesten Arie des Abend "o mio babbino caro" , in der sie ihren geliebten Vater Gianni Schicchi huldigt. Die vielen Nebenrollen sind durchwegs gut besetzt, zumeist aus Ensemblemitgliedern in mehreren Rollen.
Das Publikum folgt den ausgeprägten Stimmungen in den drei Werken, lässt sich durch die Komik des letzten Stückes geherzt aufmuntern und spendet am Ende ausgiebig Beifall.
09. März 2020 | Drucken
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