Amilcare Ponchielli La Gioconda Grange Park Opera 16.6.2022
In nüchternen Bildern musikalisch ausgeleuchtet begeistert La Gioconda in Grange Park
England ist die Heimat zahlreicher privater Operninstitutionen und ein Rollenmodell für den Opernbetrieb weitgehend ohne öffentliche Unterstützung. Private Musikbegeisterung, Enthusiasmus, leidenschaftliche Hingabe und finanzielle großzügige Bereitschaft sind die Säulen dieser privaten Initiativen gepaart mit hervorragender allgemeiner Bildung, Kunstsinnigkeit und typisch britischer Bereitschaft außerordentliches zu wagen.
Grange Park Opera ist eine dieser Initiativen, getragen von der Abenteuerlust und Weitsicht einer Person, des im März diesen Jahres verstorbenen Bamber Casgoine. Bestens an den bedeutenden britischen Schulen und Universitäten ausgebildet machte es als Fernsehmoderator, Quizmaster und Reiseschriftsteller Karriere. Als er einen Landsitz im Süden Londons erbte, stellte er diesen für die Gründung einer Operngesellschaft zur Verfügung und errichtete ein klassisches Opernhaus nach dem Vorbild der Mailänder Oper mit drei Rängen in nur zehn Monaten Bauzeit. Nun darf alljährlich das Publikum in seinem gepflegten Garten das typisch englische Pucknick und Oper von höchster Qualität genießen. Sechs Wochen dauert die jährliche Saison in Grange Park und es kommen dieses Jahr fünf Opern zur mehrmaligen Aufführung.
Der international gefeierte Tenor Joseph Calleja, nach einer schweren Corona Erkrankung wieder genesen, tritt in einer Neuinszenierung von Amilcare Ponchiellis bekanntester Oper La Gioconda auf. In der Rolle des Enzo, der von zwei Frauen geliebt, von La Gioconda heldenhaft freigegeben wird, lässt er seinen bekannten geschätzten weichen Schmelz und seine warme Stimme in großem Bogen blühen. Die Anstrengungen des Rekonveleszenten sind in Ansätzen zu hören. Im Spiel bleibt er etwas steif, da wird er in der Dramatik von Amanda Echalaz in der Titelrolle kräftig unterstützt. Sie verkörpert eine selbstbewusste junge Frau von lokaler Berühmtheit als Strassensängerin, die in Mutterliebe ergeben, ihren Geliebten Enzo Grimaldi an dessen Jugendliebe freigibt. Ihr Sopran kratzt ab und an in der Höhe, aber verleiht so nötige Durchdringung und Aufmerksamkeit. Ebenso verleiht sie lyrischen gefühlsvollen Stimmungen Aussagekraft.
Die Handlung spielt in Venedig während des Carneval und fusst auf einer Vorlage von Victor Hugo. Der junge Arrigo Boito lieferte noch unter einem Pseudonym das Libretto. Stephen Medcalf hat die Regie übernommen. Francis O‘Connor schuf ein einfaches klares dunkles Bühnenbild mit einer großen beweglichen Treppe zur Gestaltung mehrerer kaum unterschiedlicher Orte. Ein großes Gitter oder Netz aus Stahlkörper fängt im Schlussbild eindrucksvoll die Ausweglosigkeit der Heldin aber auch das Gefangensein in seinem Begehren des zwieträchtigen Barnabas ein. Dieser lässt nichts unversucht seine angebetene Gioconda zu bekommen. Meisterhaft stellt David Stout den Bösewicht mit lustvollen Verrenkungen und dunkler verschmitzter Stimme dar. Den betrogenen Ehemann und mächtigen Inquisitor Alvise Badoero gibt Marco Spotti ein ehrenvolles hoheitliches Image mit strenger Haltung. Seine in Gefühlskonflikte erlegene Laura ist bei Ruxandra Donose in guten Händen. Zurückhaltend jugendlich wirkt ihr Sopran, sicher in der Höhe geführt und weich intoniert. Ehrenvoll ist sie die Retterin der als Hexe angeklagten Mutter Giocondas, aufwühlend ist ihr Wiedersehen mit der Jugendliebe Enzo und streitbar ihr Kampf mit Gioconda um ihn. Erst das Erkennen der Retterin der Mutter führt zur heilvollen Rettung der Liebenden und zur eigenen Tragik der Titelheldin.
Diese wechselvolle Geschichte malt gehaltvoll Stephen Barlow am Pult des Gascoigne Orchestra. Präzis ist das Spiel, weich der Klang und die romantische Fülle der Partitur wird herausgearbeitet.
Viel Beifall beim begeisterten Publikum.
Dr. Helmut Pitsch
21. Juni 2022 | Drucken
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