Mit grosser Bestürzung wurde zwei Wochen vor der Premiere dieser Neuinszenierung von Giuseppe Verdis beliebter Oper La Traviata der Tod von dessen Regisseur Franco Zeffirelli von der Kunstwelt aufgenoommen. Wie kein anderer prägte er über Jahrzehnte mit seinem ausgefeilten, traditionellen ästhetischen Regiestil die Opernwelt. Er war der Erfinder und Schöpfer zahlreicher Opernverfilmungen, die wegweisend für einige Operninterpretationen wurden. Gerade seine Verfilmung von La Traviata wurde Kult. In Florenz geboren lernte er das Filmhandwerk bei Luciano Visconti als dessen Assistent und auch Partner. Viele seiner Regiearbeiten sind preisgekrönt, inklusive einer Oscarnominierung für seine Verfilmung der widerspenstigen Zähmung mit Elisabeth Taylor und Richard Burton. Nun ist er mit 94 Jahren verstorben und konnte die erfolgreiche Premiere seiner letzten Inszenierung an der Arena nicht mehr miterleben.
Nocheinmal hat er in seinen Fundus an Erfahrungen und Talenten gegriffen und als Regisseur und Bühnenbildner seine Traviata in Anlehnung an seinen Film auf die Bühne gebracht. Stille ruht in der voll besetzten Arena. Eine prächtige Leichenkutsche mit Sarg fährt vor, dahinter folgt ein Leichenzug. Alfredo legt eine Kamelia auf den Sarg, die Ouvertüre steigt geheimnisvoll aus dem Orchestergraben auf. Ein grosser Bühnenaufbau verbirgt sich hinter einem roten Theatervorhang, der hochgezogen wird und wir sehen das Innere eines edlen Bürgerhauses mit grossem Salon und mehreren Zimmern im ersten Stock. Munter tummelt sich die edle Gesellschaft. Ein längerer Umbau für den zweiten Akt ist notwendig aber erfreut verdienstvoll wieder das Auge. Eine aufwendige Jugendstill Glasfront kennzeichnet das Landhaus Violettas, edle Gartenmöbel und ein Schreibtisch inklusive. Grosser Szenenapplaus zu Beginn des dritten Aktes, wenn sich der grosse Bühnenaufbau in zwei Teile trennt und dreht. Es kommt ein schlossähnlicher Prunksaal hervor, eine bunte Festgesellschaft mit Personal und grosser Tanzgruppe als Showeinlage. Für den letzten Akt kehren wir zum Anfangsbild zurück, nur gibt es im edlen Haus kein Inventar mehr. Aber Violetta darf stilecht in einem Bett sterben.
Grosses Theater für das Auge. Für die Ohren besorgt ein edles Aufgebot internationaler Stars für Freude. Allen voran erfüllt Aleksandra Kurzak alle Anforderungen an die anspruchsvolle Partie der Violetta Valery, der La Traviata, die vom Weg abgekommene. Die Polin hält sich zurück, benötigt wenig Kraft, um die Arena auszufüllen und bleibt so leicht und geschmeidig in den Koloraturen und Läufen. Lässig zieht sie die romantischen Melodien und bleibt präsent in den grossen Szenen. Eindringlich wechselt sie zur Schwerkranken, hustet sich wahrlich die Seele aus dem Leib und haucht ihre letzten Gesänge. Sie spielt mit den Pausen, dem Ausdruck und entwickelt so Spannung. Sicher steht ihr Pavel Petrov mit festen aber kleinem Tenor zur Seite. Sein Alfredo ist jung, stürmisch, sichtlich desavouiert ob der Trennung. Leo Nucci reist zur Zeit aktivst von einem Opernauftritt zum nächsten, an vielen Stellen um sich von seinem Publikum zu verabschieden. Der Achtzigjährige überzeugt auch hier wieder als Vater Germont und weckt Bewunderung hervor. Sicher, klar ohne zittern, weiterhin mit Schmelz und Höhe ist seine Stimme. Sein Spiel ist unverändert präsent und beweglich. Seine Begeisterung nochmals in der Arena zu sehen ist spürbar.
Daniel Oren ist ein guter Bekannter für das Publikum der Arena. Er versteht es Versi mit viel Schwung und Melodie ohne zu überzeichnen oder schwülstig zu werden. Mit grossen Gesten und auffälligen Zeichen führt er den gross besetzten und gut einstudierten Chor genauso wie jeden einzelnen Sänger. Da ist Spannung und Dramatik spürbar, die er über die grosse Bühne fest im Griff hat. Ein fulminanter hollywoodreifer Abend verfliegt nur so. Als Dank für die Ovationen stimmt der Dirigent noch zum Applaus das Trinklied an, welches noch unter grosser Anteilnahme aller Sänger zum Besten gegeben wird. Das Publikum ist entzückt. Verona und Arena wie es sein soll.
01. Juli 2019 | Drucken
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