Lebendig humorvoll modern mit Tiefgang - Rheingold neu in München

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Richard Wagner Das Rheingold Bayerische Staatsoper 3.11.2024

Lebendig humorvoll modern mit Tiefgang - Rheingold neu in München

Die Bayerische Staatsoper startet zündend mit Das Rheingold in einen neuen Ringzyklus. Gott ist tot, das Nietzsche Zitat wirkt wie eine Zusammenfassung gleich zu Beginn des gesamten Ring des Nibelungen von Richard Wagner. Der Regisseur des neuen Ring Tobias Kratzer wagt eine neue ideenreiche Deutung und bleibt dabei unpolitisch und durchleutet die religiösen Werte im Werk.

Die Rheintöchter sind drei flotte Teenager mit Handys in Jeans, Sweatshirts und Rucksäcken. Sie treffen sich ungezwungen vor einem Metallzaun, der den Zugang zu einem Kirchenraum mit dem Nietzsche Zitat beschmiert versperrt -  Kostüme und Bühne von Rainer Sellmaier. Alberich in T- Shirt und Camouflage Short stösst dazu. Lebendig ist der Schlagabtausch der vier, amüsant die Zaubereien der aufgewecktenRheintöchter. Eine Dampfwolke dient für witzige Verwandlungen. Bescheiden wirkt dagegen das Rheingold, das in einem Plastiksack leuchtend aus einem Kanalloch entwendet wird. Freunde eines plätschernden Rheins müssen hier durchatmen. Die Götter treffen wir auf der Baustelle im einem hochstrebenden Gerüst hinter dem Metallzaun, Originell ist ihre Renaissance Kleidung. Dazu trägt Wotan Speer und Flügelhelm. Nur Loge ist modern ganz in schwarz, der smarte Unternehmensberater. neuer Prägung. Die Riesen treten als Zeugen Jehovas mit ihrem Zeitungsständer auf, in schwarz gekleidet mit Priesterhemd.

Wieder treffen wir auf gekonnte, für Kratzer typische Videoeinspielungen, wenn sich Wotan und Loge auf den Weg nach Niebelheim machen. Die Verwandlung führt so durch Straßen, Wüsten, auch ein Flug und eine Neueinkleidung im Business Anzug für Wotan ist dabei. Alberich haust eher uninspiriert in einem Vorstadtbungalow mit Rolltor. Von dort dirigiert er auf zahlreichen Bildschirmen selne Mannen. Mime sitzt daneben und formt einen echten eleganten schwarzen „Tarn“Helm. Ein weiterer Hingucker ist sein braver Hund unterm Tisch. Die Verwaltungen gelingen optisch gut. Der Riesenwurm wütet hinter dem geschlossenen Rolltor, die Kröte wird gleich ins Tupperware eingeschlossen und darf mit ins Flugzeug zurück, dank Loge der noch schnell ein Feuer am Flughafen legt. Der Gags gibt es viele aber sie passen, lenken nicht zu sehr ab sondern würzen den Erzählstil.

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Herausfordernd und durchdringend ist die Schlüsselszene des Abends. Alberich erscheint gefangen splitternackt und wird an die Kirchenbank gefesselt. Der Demütigungen nicht genug, hackt ihm Wotan noch den Finger ab, um das Objekt der Begierde den Ring zu gewinnen. Alberich krümmt sich schmerzverzerrt am Boden. Mystisch machtvoll, magisch unheilvoll klingt sein Fluch, schneidend scharf die Wirkung wie selten erlebt. Unheivoll und übertrieben wirkt dagegen die Befreiung Freias aus den Klauen der Riesen. Die drangsalierte Göttin hängt wie am Galgen. Der Nibelungenschatz verbirgt sich in Aktenkoffern, die zur Rettung geschlichtet werden.

Einfallsreich auch der Einzug der Götter in Walhall, der hier wirklich stattfindet. Die Burg ist ein mächtiger  goldener gotischer Altar, die Götter nehmen wie Heiligenfiguren aufgereiht Platz. Die Brücke ist ein gotisches Kirchenfenster das den Eínzug ausleuchtet.

So verfliegen bildgewaltige zweieinhalb Stunden. Dieser Vorabend zur Tetralogie macht neugierig auf die weitere Umsetzung, die Grundzüge des Konzeptes sind dargelegt und erscheinen als eiine schlüssige Grundlage für die weitere Umsetzung, sicher gespickt mit weiteren Regieeinfällen.

Musikalisch ist die Deutung klarer und stringent. Vladimir Jurowski gelingt eine eindringliche wie unaufdringliche  transparente Gestaltung am Pult des Bayerischen Staatsorchesters. Anschaulich arbeitet er mit den Musikern die Leitmotive heraus, bleibt gedeckt, um den Sängern einen optimalen Rahmen für ihre Darbietung zu gestalten, nutzt jede noch so kleine Öffnung, um diese mit dem Orchester in feinster Phrasierung üppig zu füllen. Seine Tempi sind langsam aber nicht getragen sondern aufhellend und deutend. Aus dem Graben heraus färbt er so und untermauert er die Handlung auf der Bühne.

Die Besetzung dieser Neuinszenierung bringt viele spannende und sehr erfreuliche Begegnungen. Mit Nicholas Brownlee präsentiert sich ein junger frischer Wotan mit Strahlkraft und bester Wortverständlichkeit. Seine warme Stimme besitzt Fülle und Geschmeidigkeit. Sean Panikkar ist ein lyrischer vornehm menschlicher Loge ohne ausgepuffte Hintergedanken, dafür ständig eine Zigarette anzündend. Ruhig und überzeugend seine Rollengestalter als schlauer Drahtzieher der Handlung. Größte Hochachtung verdient Markus Brück für seine unglaublich eindrucksvolle Leistung als Alberich unter vollem Körpereinsatz. Nackt und gefesselt verleiht er der Szene eine bildlich ansprechende Aussagekraft der Demüt und Unterwerfung, im Fluch gewinnt er seine Würde zurück, die Satire folgt, wenn er an die Kirchensäule pinkelt. Großes Theater auf der Musikbühne.

Ekaterina Gubanova bleibt als Fricka farblos, aber sicher im Gesang. Mit Milan Siljanov als Donner, Ian Koziara als Froh und Mirjam Mesak als Freia ist die Götterwelt bereits in Dämmerung.

Der Mime ist mit Markus Kink gut besetzt. Seine Stimme bringt Nuancen, im Spiel ein undurchsichtiger Charakter. Matthew Rose als Fasolt und Timo Rihonen als Fafner sind zwei mächtige Riesen auch ohne entsprechende Kostümierung. Stimmlich haben die beiden passende unterschiedliche Färbungen, die ihren Szenen zusätzlich Spannung geben. Wiebke Lehmkuhl bringt in wenigen Minuten ihres Auftritts als Erda ein mystische überirdische Welt auf die Bühne mit ihrer vollen durchdringenden Stimme, die Athmosphäre schafft. Sarah Brady, Verity Wingste und Yajle Zhang erfreuen als Rheintöchter mit bestens verständlichem und gut intoniertem Gesang und einer schauspielerisch gut ausgefüllten Darstellung.

Das Publikum bricht in großen Jubel aus, dokumentiert regen Zuspruch und feiert die Sänger, Dirigent und Orchester für ihre Leistungen.

Fortsetzung folgt erst im Juni 2026 mit Walküre. Es bleibt spannend.

Dr. Helmut Pitsch

 

 

 

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