Giuseppe Verdi Otello Bayerische Staatsoper 2.6.2022
Leichtes Spiel für Jago in München
Deftig wirkt diese Wiederaufnahme der in 2018 entstandenen Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Späterrk Otello durch das ausufernde Spiel von Luca Salsi als durchtriebener Jago. Er treibt die Tragödie voran und führt wie Marionetten omnipräsent alle Beteiligten. Eigentlich wollte Amelie Niermeyer in ihrer Regie Desdemona als Opfer in den Mittelpunkt ihrer vermeintlich psychologischen Interpretation der Seelenzustände der Herrschertochter, die den Kriegshelden und Außenseiter Otello liebt, stellen.
Das Bühnenbild zeigt auf zwei Ebenen den gleichen nüchternen Palastraum, der Tatort, ihr Bett ist immer Teil davon. Der konzeptionelle Sinn der Doppelung schlägt nicht wirklich sinnhaft durch. Im Gegenteil verliert die Handlung die spannenden und auch intimen Momente. So gleich zu Beginn, wen das zypriotische Volk mit Spannung und Angst die Rückkehr ihrer Marine und ihres Herrscher im tobenden Sturm beobachtet. An der Bühnenranpe ist der bestens vorbereitete und stimmlich auftrumphend Chor statisch aufgereiht und kommt so gut zur Geltung. Darüber schwebt Desdemona in ihrem Schlafzimmer und fiebert der Rückkehr ihres Geliebten entgegen. Der tritt im Anzug durch die Türe.
Wem das Volk darumter jubelnd begrüsst bleibt ungezeigt. Hemdsärmelig ungezähmt ohne Inspiration geht es dann zum plumpen Saufgelage. Cassio muss sich immer wieder zu Boden werfen. Ebenso wird Desdemona von ihrem aufgebrachten Gatten aufs und übers Bett geworfen. Da kommt die kräftige knallende Ohrfeige Emilias an Jago gut an. Am Ende erlebt Otello seinen Schmerz reumütig an keiner sterbenden Desdemona, denn sie ist bereits auf der doppelten Bühne im Hintergrund.
Geschickt drehen Videoinstallationen die räumliche Umgebung um die traumatisierte Desdemona und zeigen so ihr aus den Fugen geratenes Weltbild. Dunkel und drückend sind die zumeist grauen alltäglichen Kostüme.
Dafür erarbeitet Daniele Rustioni am Pult mit dem Bayerischen Staatsorchester einen Spannungsbogen, der sich dramatisch in Tempi und kräftigen Volumen aufbaut. Er lässt Trommeln hörbar wirbeln, die Blechbläser schöpfen aus dem Vollen und die Streicher schwelgen in lyrischen Melodiebögen. Er zeichnet die Charaktere und gibt den Emotionalen einen Klang.
Der Armenier Arsen Soghomonyan feierte bereits an verschiedenen Häusern Erfolge in der Titelrolle. Ursprünglich Bariton wechselte er in das Tenorfach. Er zeigt einen samten weichen Tenor in der Mittellage, in der Höhe wird die Stimme öfters enger mitunter überrascht er dann wieder mit seiner Strahlkraft. Spielerisch tritt er das schwere Erbe von Jonas Kaufmann an, der in der Premiere den inneren Kampf und denn mörderischen Fraß der Eifersucht ausdrucksvoll gestaltete. Arsen Soghomonyan gelingt seiner Eifersucht, insbesondere seiner männlichen Verletztheit Gestalt zu geben. Luca Salsi dominiert als Jago den Abend. Mit großer Spielfreude mimt er gestenreich und mit viel Bewegung den karrieresüchtigen Bösewicht, der mit viel Schadenfreude Unruhe stiftet. Lustvoll schürt er in seinem verhassten Führer Otello die Eifersucht und treibt den Wahnsinnigen zur schrecklichen Tat. Stimmlich zeigt er sich in bester Form. Kräftig stellt er sich dem mächtig aufspielendem Orchester und bleibt dabei leicht und flexibel in der Stimmführung.
Nicht wirklich überzeugend ist Rachel Willis-Sørensen als Desdemona. Ihre Stimme verfügt über feine Farbe, weiche sichere Höhe, nur bleibt sie unverständlich und formt keine reizvollen Vokale in klarer Intonation. So wirkt ihr Gesang monoton einsilbig. Auch in Bühnenpräsenz und Spiel setzt sie keine Akzente und wird so der Opferrolle gerecht. Oleksiy Palchykov erfreut mit kräftigen frischen Tenor als Cassio. Victoria Karkacheva erfrischt in unvorteilhafter Robe als selbstbewusste, im wahrsten Sinn schlagkräftige Emilia mit dunklem Mezzo. Galeano Salas als Roderigo und Balint Szabo als Lodovico ergänzen stimmsicher das Sängerensemble.
Kurzer begeisterter Applaus
Dr. Helmut Pitsch
03. Juni 2022 | Drucken
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