Nüchterner Krimi über Mord, Selbstmord und Vergewaltigung akustisch aufpoliert

Xl_8a87f108-970f-4fc6-864c-709ef5321e4a © Marco Borgreve

Giacomo Puccini Tosca Dutch National Oper DVD erschienen bei Naxos

Nüchterner Krimi über Mord, Selbstmord und Vergewaltigung akustisch aufpoliert

Eine leere Bühne ist dunkel gehalten. Aus dem Boden sprengt sich der geflohene Häftling Angelotti blutüberströmt heraus. Film und Oper sind zwei Genres, die der australische Regisseur Barrie Kosky in diesser Inszenierung von für Dutch National Oper in Amsterdam verarbeitet hat. DIe im April 2022 wöhredn der Pandemie erstmals gezeigte Neuinszenierung erscheint nun auf CD.

Die Opernstoffe und die Musik von Giacomo Puccini verknüpfen für den Regisseur beide Welten symbiotisch. Und so spielt er mit der Handlung, den Beziehungen zwischen den Handelnden, ausgereizt in der Personenführung. Viele Gesten, Mimik, die Lichtregie von Franck Evin und die modernen Kostüme von Klaus Bruns sind ganz wesentlich für ein fesselndes Opernerlebnis von der Kamera mit Gespür aufgefangen. Zumeist erleben wir die Protagonisten in Grossaufnahme im Jetztzeit Setting, verstaubte schwülstige Kirchen- oder Palastatmosphäre ist hintangestellt. In glänzenden Anzügen wimmeln die Gefolgsmänner Scarpias herum und versprühen einen Schuss moderner Mafia. Effektvoll im letzten Bild des ersten Aktes verbirgt sich der Chor in den Köpfen eines großen Tryptichons, der sich eröffnet. In einer hippen Designer Wohnküche erwartet Scarpia Tosca und zeigt sich als Shushi Hobbykoch. Viel Blut färbt wieder exzessiv die Folter und die Mordszene am herzlosen gierigen Scarpia.

Wieder viel Blut begegnet uns zu Beginn des dritten Aktes, wenn Cavaradossi angekettet an der Gefängniswand lehnt. So schaurig im Bild entwickelt sich seine große Arie „E lucevan le stelle“ wenig strahlend obwohl fein ausgesungen. Gross baut sich das Erschiessungskommando über die Gefängniswand auf. Nüchterne Brutalität eskaliert, wenn die blecherne Tür knallt. Entschlossen klettert Tosca die Treppen hoch und eine Tür öffnet sich aus der sie in die Tiefe springt.

Malin Byström ist eine attraktive kühle Tosca, die mit ihren Reizen spielt, aber ihren Gefühlen keine fühlbare Emotion gibt. Klar und hell bleibt sie in den Höhen. Joshua Guerrero setzt hier viel spielerische Freude und Talent ein. Mit dem vollgeklecksten Hemd zeigt er den impulsiven Künstler Mario Cavaradossi, mit leichtem Schmelz und sicherer Höhe meistert er die Partie überzeugend. Gevorg Hakobyan ist ein feuriger grausamer Despot mit Eleganz. Mit seinem expressiven Stil und natürlicher Bühnenpräsenz verhilft er der Aufnahme zu viel Dramatik und Spannung. Stimmlich ist sein Scarpia durchdringend und kraftvoll. Angelotti wird durch Martijn Sanders humpelnd, gefoltert und verzweifelt gezeichnet. Mit innigem Gesang wertet er die Rolle auf.

Ohne überzogene Poesie trimmt Lorenzo Viotti das Netherlands Philharmonic Orchestra auf klare nüchterne Tonsprache, akzentuiert arbeitet er mit den Musikern Details heraus, selten überdreht er pompös im Volumen, bleibt nah dran an den Sängern und begleitet mit viel Farbe.

Dr. Helmut Pitsch

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading