Rheingold als erfrischend würziger Beginn einer Familiensaga im Regiekonzept in Basel

Xl_9455b911-88b7-48ae-af1a-c683cd940682 © Ingo Höhn

Richard Wagner Rheingold Theater Basel 22.6.24

Rheingold als erfrischend würziger Beginn einer Familiensaga im Regiekonzept in Basel

Bevor die magischen Töne aus dem verdeckten Graben dringen, ist die Stimme Brünnhildes aus dem Off zu hören Sie erinnert sich an ihre Jugend, beschreibt das Verhältnis zu ihrem Vater, dem Götteroberhaupt Wotan. Sie zeichnet ein kompromitirendes schwieriges Familienleben mit ihren Schwestern, den Walküren, den Wälsungen, den Nornen und den Göttern alle wohnhaft in einem Haus, der Götterburg Walhall. Diese steht schon als Gerippe auf der Bühne, davor ein langer Tisch mit Stühlen, das lebendige Zentrum des Familienlebens - Bühnenbild Natascha von Steiger. Die Weltesche ragt drohend ohne Rinde und Äste im Hintergrund gen Himmel 

Mit ihren Worten liefert Brünnhilde die erklärenden Worte des Regiekonzeptes und des nun Folgenden. Der Intendant des Theater Basel Benedikt von Peter führt Regie in dieser Produktion eines neuen Ring des Nibelungen an seinem Haus. Ein Rückblick auf das Geschehen soll Brünnhildes psychologische Last der Jugend und ihr gespaltenes Verhältnis zum übermächtigen Vater aufarbeiten. Diese moderne Familienaufstellung passt sicher zu dieser außergewöhnlichen Familie, in der Liebe nicht die treibende Kraft ist. Vielmehr geht es um Macht, Hass, Intrige und ein schweifendes Sexualleben mit vielen Verwicklungen.

Gleich zu Beginn erleben wir die Geburtstagsfeier des jungen Siegfried, der von Wotan vereinnahmt wird. Ein Kasperltheater ist ein treffendes Geschenk und kluger Regieeinfall für das folgende "Märchen". So verschmelzen Wotans lebendige Erzählungen mit der Welt des Theater in gross und klein auf der Bühne sobald die mystische Musik aus dem verdeckten Graben dringt. Auch dies ist Teil des Regiekonzeptes. Die Bühne ist über den Orchestergraben gebaut. So erlebt der Zuschauer das Geschehen haut nah wie im Schauspiel. Die Musik erklingt aus dem Untergrund. In Grundzügen dem Bayreuther Festspielhaus nachempfunden ohne die besondere akustische Wirkung der Idee der Muschel. Hier gibt es verschiedene Öffnung die den Klang aufsteigen lassen, die frontale Wirkung des Orchesterklanges kann aber nicht entstehen. Jonathan Nott steht am Pult des Sinfonieorchester Basel und wird auf mehrere Monitore übertragen. Sein Dirigat ist fließend romantisch ausmalend. Den Umständen geschuldet wirken die Steigerungen und monumentalen Melodiebögen gedämpft. Dafür liefert er einen robusten transparenten Klangteppich für die Sänger, die nicht gegen die Wucht eines Orchesters kämpfen müssen.

Dies vorausgeschickt erlebt das Publikum die Rheintöchter als große Nixenfiguren auf Holzstangen in Wellenbewegungen herumgetragen. Alberich erscheint bereits als riesige Kröte, die putzig über die Bühne hopst. Als düsterer Machtmensch schwört erder Liebe ab und trägt einen großen Goldklumpen von der Bühne. Die Riesen stören in geläufiger Arbeitskleidung - die Kostüme von Katrin Lea Tang sind aktuell geprägt- das Geburtstagfest der munteren Götter. Loge im giftig gelben Anzug kommt zu Hilfe und liefert die Lösung des Streites. Donner hämmert ein Loch in den Bühnenboden und Wotan steigt mit Loge zu den Nibelungen hinab. Auch hier wieder ein eingebauter Halt der Musik, Brünnhildes Worte kommentieren und nach einer Bühnenverdunkelung finden wir Mime und Alberich inmitten der bekannten Bühne. Realistisch sind die Verwandlungen mit mächtigen übergroßen Wurm und kleiner Kröte. Grausam mutet die Gefangennahme und Lösung Alberichs an. Um den Ring zu gewinnen, sägt ihm Wotan einen Finger ab, der später von Donner entsorgt wird. Gleiches blüht der befreiten Freia, die unverständlicherweise verstirbt und von Froh und Donner im Plastiksack verpackt und in dem besagten Loch entsorgt wird. Erda kommt auf die Bühne geschritten und sendet aus Walhall heraus ihre Botschaft. Unspektakulär ist der Einzug über die aufgestellten Sessel in Walhall, befremdend ist die Anwesenheit der Wälsungen samt Siegfried als auch der drei Nornen.

So ist es immer munter und voll auf der Bühne. Durch die Ausdehnung dieser bis zu den ersten Zuschauerreihen, ist die Handlung, sind die Sänger als Darsteller sehr präsent. Über weite Strecken mutet das Musikdrama wie ein Schauspiel mit Musik. Trotz der Anwesenheit einiger Charaktere in stummen Rollen und verfremdeter Beziehungen unter den Handelnden verblüfft die Regie mit ihrer textgetreuen und weitgehend schlüssigen Interpretation.

Das Sängerensemble kann in dieser Bühnengestaltung gut reüssieren. Stimmlich besteht eine gute Balance zum Orchester, in der Darstellung liegt ein großer Anteil der geforderten Leistung. Nathan Berg verinnerlicht den Helden und Machtmenschen Wotan, der seine ganze Familie zu terrorisieren scheint. Er agiert souverän, im weissen Hemd und dünnen langen Haaren wirkt er sehr menschlich. Seine Stimme gleitet schwer zwischen den Lagen und immer wieder verbleibt er im Sprechgesang, der auch seine Ausstrahlung hat. Michael Laurenz ist ein sehr präsenter überzeugender Loge, der den Göttern seine Dienste bietet. Seine Stimme setzt die nötigen Nuancen. Fricka wird von Solenn‘Lavanant Linke mit wenig Strahlkraft und Spiel dargebracht. Michael Borth als Donner und Froh von Ronan Caillet sind zwei muntere verspielte Teenager, die auch mit ihrem Gesang erfreuen. Der Bassbariton Andrew Murphy ist langjähriges Ensemblemitglied in Basel. Dunkelheit und kräftigen Ausdruck verleiht er seinem Alberich, den Mime bringt Karl Heinz Brandt ehrfürchtig schüchtern.

In der Rolle der Erda gibt es ein Wiedersehen mit Hanna Schwarz, die als Wagner Sängerin in vielen Rollen zu erleben war. Ihre Aura verleiht der Rolle den allwissenden Charakter. Thomas Faulkner und Runi Brattberg als Fasolt und Fafner sind zwei stimmgewaltige und körperliche Riesen.

Der bunte lebendige Abend wird vom Publikum mit großem Beifall aufgenommen. Für weniger Ringerfahrene ist der Einstieg in die Tetralogie in dieser Umsetzung sicher eine Herausforderung, da die vier Abende hier in den handelnden Personen verschmelzen und für die weiteren Abende neu einzuordnen sind. .

Dr. Helmut Pitsch

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