© Zani Casadio
2015 startete der gefeierte und international anerkannte Dirigent Riccardo Muti sein Projekt zur Förderung junger Musiker. In einem festgelegten Auswahlverfahren gibt es den Finalisten die Möglichkeit aktiv und kostenlos an der Riccardo Muti Opernakademie teilzunehmen. In verschiedenen Etappen wird die Entstehung, Vorbereitung und Durchführung einer Opernaufführung mit dem Maestro selbst erarbeitet. Junge Sänger und Dirigenten lesen und studieren gemeinsam die Partitur, lernen ihre Rollen verstehen, proben mit dem Orchester und schliessen mit der Aufführung ab. Die letzten gemeinsamen Proben sind auch öffentlich zugänglich.
Auch im Coronajahr 2020 wird die Akademie wie geplant abgehalten. Ruggero Leoncavallos Pagliacci und Pietro Mascagnis Cavalleria Rusticana stehen im Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit zwischen den jungen vielversprechenden Talenten und Riccardo Muti. Beide Werke liegen dem Maestro besonders am Herzen. Die beiden Einakter sind bedeutende Vertreter des Verismo, jener Stilrichtung die am Ausgang des 19. Jahrhunderts das Opernschaffen prägten. Beide gehören zum festen Opernrepertoire aller Opernhäuser und werden zumeist gemeinsam als abendfüllendes Programm aufgeführt. 1970 dirigierte Riccardo Muti die beiden Einakter erstmals in Florenz. Zahlreiche Wiederholungen folgten sowie auch Plattenaufnahmen. Im Programmheft lässt sich diese besondere Verbindung und Geschichte nachlesen, sowie Mutis Meinung und Verständnis zur Aufführungspraxis dieser Werke, welche das Publikum nun live mit den jungen Künstlern im prächtigen Teatro Dante Aligheri, dem Opernhaus von Ravenna in konzertanter Fassung in Ausschnitten erleben darf.
Als Klangkörper dient der Akademie das ebenfalls von Riccardo Muti 2004 gegründete und geprägte Orchestra Giovanile Luigi Cherubini. Es umfasst ausschliesslich Musiker unter 30 Jahren aus ganz Italien, die hier in einem mittlerweile sehr renommierten Orchester Erfahrungen sammeln können. Beheimatet in Piacenza ist das Orchester bereits weltweit in allen bedeutenden Konzertsälen aufgetreten und residiert im Sommer als Hausorchester des Ravenna Festival. Zahlreiche Preise zeugen von der Qualität und die bedeutendsten Dirigenten standen am Pult.
Mühevoll ist es die aktuellen Vorkehrungen zur Eindämmung von Corona einzuhalten. Am Eingang des Theaters wird die Temperatur gemessen, die Maske ist bis zum Platz zu tragen. Das Parkett ist nur teilweise bestuhlt, ganze Sitzreihen wurden herausgenommen. Viel Beinfreiheit und Platz bleiben den wenigen Besuchern. In den Rängen werden die Logen besetzt und auch auf der Galerie mit gebührendem Abstand plaziert. Auch das Orchester auf der Bühne trägt Masken bis zum Beginn des Konzertes und die Musiker sind mit Abstand aufgereiht. Aber schon beim großangelegten Stimmen kommt gewohnte Atmosphäre und Spannung auf. Die freudigen Erinnerungen an bis vor kurzen noch uneingeschränkte Opernerlebnisse ziehen vorbei. Mit dem Impfstoff wird alles wie früher versichert mir meine Sitznachbarin, mit Abstand ohne Maske. Wir hoffen beide.
In eleganter Abendrobe treten die jungen Sänger auf die Bühne. Die Sopranistin Alessia Pintosi stammt aus Italien und übernimmt die Rolle der Nedda, Geliebte von Canio aber selbst in Silvio heimlich verliebt. Zurückhaltend ist ihr Start, im Duett mit dem Bariton Igor Onishenko als Silvio öffnet sich ihre Stimme, weich und sicher angelegt in der Höhe, breit und samtig in der Mittellage. Der Ukrainer ist bereits Mitglied des Ensembles der Wiener Staatsoper und zeigt sich routiniert und stimmlich souverän mit hellem Timbre und feiner Stimmführung.
Mit Körperfülle bringt Azer Zada eine kräftige Tenorstimme zum Erklingen. In der berühmten Arie "Vesti la giubba" des Canio zeigt er sein Können und die Farben seiner Stimme. Er stammt aus Azerbaidschan, wurde in Italien ausgebildet und ist bereits international aufgetreten, besonders breite Erfahrung aber in Italien und Russland gesammelt.
Markig mit schmitzigen Humor im Ausdruck eröffnet der Rumäne Serban Vasile mit dem Prolog des Tonio den Abend. Umfangreiches Stimmvolumen und wohlgesetzte Töne prägen seinen Bariton.
Zum Abschluss des ersten Teiles führt Riccardo Muti einfühlsam das Orchester durch das Zwischenspiel und zeigt wie auch in gemäßigten Tempo kraftvolle Spannung erzeugt werden kann. Jede kleine Pause wird zum erwartungsvollen Spannungsbogen, Melodien werden langsam Ton für Ton zusammengesetzt und erhalten ihre besondere Wirkung. Emotionen prägen das Erlebnis des Verismo und die werden hier kunstvoll erzeugt. Ähnliches widerfährt dem Zuhörer beim beliebten Intermezzo aus Mascagni Cavalleria Rusticana. Das Werk hat es auch als solches in die Konzertliteratur geschafft.
Francesca Di Sauro versprüht mit ihrem kräftigen dunklen Sopran mediterrane Emotionsgeladenheit. Ihre Santuzza berührt und inkomprimitiert. Mit
Azer Zada und Matteo Falcer stehen ihr zwei ebenbürtige Tenöre als Turridu gegenüber.
Antonella Carpento hat es schwer als dessen Mutter Lucia Akzente zu setzen. Nochmals darf Serban Vasile als Alfio seinen kultivierten Bariton präsentieren. Golden glänzt Clarissa Leonardi nicht nur im Kleid. Ihr rauchiger Mezzosopran verleiht Lola glaubwürdige Verführungskraft als untreue Gemahlin Alfios.
Viel Beifall und Bravi für die Sänger und vor allem den verehrten Maestro am Ende. Eine verdiente Anerkennung für seinen grossartigen und tatkräftigen Einsatz als Webbereiter für die zahlreichen jungen Künstler, die an diesem Abend mitwirken durften.31. Juli 2020
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