Richard Wagner Parsifal Nationaltheater München 14.4.2022
Stimmig stimmungsvoller Parsifal zur österlichen Einstimmung in München
"Durch Mitleid wissend der reine Tor." So formuliert Richard Wagner selbst die Handlung in Kurzform seines letzten Werkes Parsifal. Er bezeichnet es als Bühnenweihfestspiel und stellt es so über seine vorhergehenden Opern. Über den religiösen Charakter von Wagners letztem Opus wird immer wieder diskutiert. Zentral ist dessen Erlösungsgedanke aus Mitleid. Mitleid ist ein allgemeine universelle Grösse, unpolitisch und nicht religiös. Der Inhalt fusst wiederum auf einer mittelalterlichen Legende um den Gral, der Christi Blut aufnahm und dem Speer, der dessen Wunde am Kreuz verursachte. Die Gralsritter stehen im Kampf mit Klingsor, der versucht, die Ritter in ihrem Keuschheitsgelübde mit Hilfe Kundrys anzugreifen. So geschehen mit Amfortas, dessen symbolträchtige Wunde sich nicht schließt und den die rituelle kraftspendende Enthüllung des Grals schmerzt. Nur einTor, aus Mitleid wissend, kann das Reich der Gralsritter retten. Der irrende Parsifal erkennt durch Kundrys Kuss sein Schicksal, vernichtet Klingsor und erlöst Amfortas. Stoff genug für fünf Stunden Oper, die Richard Wagner mit vielen Symbolen und Motiven ausgestattet hat.
Marek Janowski hat mit seinem Rundfunkorchester Berlin eine beeindruckende Wagnertradition geschaffen und sich internationale Anerkennung erarbeitet. Die Qualität und Rafinesse seiner Interpretation stellt er nun im Nationaltheater München am Pult des Bayerischen Staatsorchesters mehr als eindrucksvoll unter Beweis. Unprätentiös, sehr klar und auf Details achtend lässt er das Orchester in gemäßigten Tempo und Volumen spielen. Dicht und fein abgestimmt sind die Nuancen. Geschickt öffnet er den Sängern Raum und gleichzeitig stellt er den großen Klangkörper der Instrumente dagegen. Die Musik hat einen feierlichen aber keinen schweren Charakter, luftig leicht nach vorne strebend zieht Janowski alle der Erlösung entgegen. Es ist Spannung im Graben und füllt den Zuschauerraum, der gebannt folgt.
Die Inszenierung unter der Regie von Pierre Audi hatte 2018 bei der Premiere durch die Bühnenbilder von Georg Baselitz viel Aufsehen erregt. Es ist zumeist dunkel. Der erste Akt spielt in einem apokalyptischen Wald aus verdorrten Bäumen, eine Skulptur aus drei verkohlten zusammengebundenen Pfählen mutet als keltisches Heiligtum an. Klingsors Burg ist ein bemalter Vorhang, der die festen Mauern bildet. Im letzten Bild erlebt der Betrachter den verkohlten Wald in üblicher Baselitz Manier verkehrt, upside down. Die Bühnenbilder fügen sich so wenig spektakulär der Handlung ein. Ruhe und Verständnis braucht der Zuschauer bei den einfallslosen ins Geschmacklose gehenden Kostümen von Florence von Gerken. Die Gralsritter müssen zur Wandlung in hässlichen Körperanzüge schlüpfen, die ihre Nackheit in abstossender gealteter Körperfülle zeigen. Das gleiche Schicksal erleiden unnötig die Blumenmädchen, die ja noch in Wagners Text als Schönheiten aufgeführt sind.
Wohltuend dagegen die ausgezeichnete sängerische Gesamtleistung. Kurzfristig konnte Stuart Skelton für die Titelrolle einspringen und besticht mit seinem erfrischenden lyrischen Heldentenor. Christian Gerhaher entwickelt sich über den Abend zum verkörperten Leid und Schmerz, den Amfortas fühlt. Überzeugend seine Darstellung im weissen Unterkleid. Mit Krücke steigt er aus dem Nichts in den Kreis der Ritter. Liedhaft konfrontiert er diese mit seinem Leid in allen Fassetten klanglich eingefärbt. Christof Fischesser zeigt als Gurnemanz Ehrfurcht und Betroffenheit, intoniert übergewissenhaft und verliert sich in ein feierliches Parlando. Lebendige Reue, Busse, sinnliche Lust bringt Anja Kampe in hoher stimmlicher Flexibilität und darstellerischem Können auf die Bühne. Ihre Kundry und ihr Schicksal rückt so in den Mittelpunkt des Abends. Von großer Wortdeutlichkeit und gesanglich ausgefeilt ist der Klingsor von Jochen Schmeckenbecher. Ein großer Abend und würdiger Einstieg in die Osterzeit, der das Bühnenweihfestspiel gewidmet ist.
Große Begeisterung und viel herzlicher Applaus vom Publikum.
Dr. Helmut Pitsch
19. April 2022 | Drucken
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