Verdi modern und gegendert, echt und innig berührend

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Giuseppe Verdi La Traviata Opera Incognita Allerheiligen Kirche München 12.5.2023

Verdi modern und gegendert, echt und innig berührend

Wer war Violetta Valery wirklich, und welche soziale Stellung hatte sie. Über die Titelrolle von La Traviata der berühmten und eine der meist gespielten Opern Giuseppe  Verdis wird immer wieder diskutiert. Ins Deutsche übersetzt gibt der Titel weitere Rätsel auf. Die von der Straße Abgekommene spricht von Abnormem.

Opera Incognita, eine private Operninitiative, wagt nun in München diese Oper im modernen Zeitgeist und aktuellen Genderthema realistisch auf die Bühne zu bringen. Violetta ist eigentlich Violetto, der sich als Dragqueen einen gesellschaftlichen Rang und Status erarbeitet oder geschaffen hat. Alfredo ist ein flippiger Jungspund und selbst Giorgio Germont ist ein alt 68iger im Anzug mit Zöpfchen. Die Mittel der privaten Operncompagnie, die seit Jahren erfolgreich für außergewöhnliche Aufführungen in der Regie von Andreas Wiedermann an außergewöhnlichen Orten steht, sind begrenzt. Der musikalische Leiter Ernst Bartmann schafft es meisterhaft die klassischen Werke auf Kammermusikbasis zu reduzieren und zu arrangieren. Hier sind es vier Musiker, er führt am Klavier, Klarinette, Geige und Bass sowie fünf Gesangssolisten.

Der Klang versetzt beim ersten Hören die Stimmung des Zuhörers in ein Cafe auf den Markusplatz mit seiner unvergleichlichen Klangwelt der dortigen kleinen Ensembles, die die Gäste so wie hier erfreuen. Zwei Sessel, ein Sofa,, links und rechts ein Spiegelschrank, etwas Lichtregie und ein großes modernes buntes Ölgemälde reichen als Bühnenbild. Es ist das Spiel, das Engagement und der Einsatz der Solisten allen voran Uri Elkayam als Violetto die den Abend zum Erlebnis machen. Kostüm, Make up und vor allem seine Perücken zaubern für den klassischen Opernbesuchrr eine fremdartige aber faszinierende Welt. Setzt er dann zum Gesang an, ist die Verblüffung perfekt. Sein Countertenor ist füllig, weich hell mit leichtem Vibrato. Schließt man die Augen ist kein Unterschied zu einer -gewohnten- Sopranistin in der Rolle zu hören. Natürlich und nicht übertrieben exaltiert ist sein Spiel und in dieser ansprechenden Natürlichkeit ist seine Stärke als Violetta. Ungeschmickt als Violetto gestaltet er den letzte Akt als von Krankheit gezeichnet den Tod erahnend. Mit erstickter Stimme liest er die Zeilen von Giorgio Germont, verzweifelt am Wettlauf mit dem Tod und stirbt ermattet in den Armen seines Geliebten Alfredo.

Dieser wird durch Rodrigo Trosino in langer wilder Haarpracht, zumeist die Augen verdeckend, zum sympathischen Dandy ohne Berufung. Stimmlich hat er Schmelz, Farbe mit etwas dünner Höhe. Rebson Bueno Tavares trumpft mit tiefem vollen Bass überdreht als sein Vater Giorgio Germont. Mit ungezügeltem Volumen und Lautstärke forciert er., sodass gerade die lyrischen Duette mit Violetta und Alfredo ihre Rührung verlieren. Carolin Ritter und Florian Dengler wechseln in verschiedene Nebenrollen und begleiten mit souveränem Spiel und sicherem Gesang.

Ein beeindruckender Abend mit zündender Regie, hoher Musikalität und hervorragender Leistung aller Beteiligten findet große Beheisterung und Zustimmung im ausverkauften Haus. Sind hier neue Perspektiven der zeitgemäßen Openaufführung geschaffen?

Dr. Helmut Pitsch

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