Adriana Lecouvreur: Der Krieg der Primadonnen

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Wien: „Adriana Lecouvreur“ – Großartige Sängerinnen und reich schattierte orchestrale Umsetzung in historisch, antiquierter Ausstattung

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Eigentlich ist es schwer nachvollziehbar, warum eine Oper wie „Adriana Lecouvreur“ von Francesco Cilèa erst 2014 zum ersten Mal an der Wiener Staatsoper gespielt wurde. An der Musik kann es nicht liegen, dass der Verismo-Edelreißer erst 112 Jahre nach der Uraufführung in Mailand im Haus am Ring erstmalig gezeigt wurde. Zwar hat der italienische Komponist außer dieser Oper keinen weiteren musikdramatischen Erfolg, bei immerhin fünf Opern insgesamt, liefern können. Aber dieses Werk sprüht nur so von eingängigen Melodien, einige Arien haben auch durchaus Ohrwurmcharakter, schimmernder Lyrik und Leitmotiven, die das Geschehen zart durchziehen wie auch von donnernder Dramatik. Wahrscheinlich liegt es doch vielmehr am Libretto von Arturo Colautti, dem ein Stoff von Eugéne Scribe zugrunde liegt, mit der schwer nachvollziehenden Briefintrige, der heute kaum glaubhaften Ermordung durch giftverseuchte Veilchen etc. Dazu haben außer den beiden um den gleichen Mann kämpfenden Rivalinnen, die Titelheldin und die Fürstin Bouillon, weder der gemeinsame Liebhaber Maurizio, Graf Moritz von Sachsen, wie auch der Fürst Bouillon noch der alte, die Schauspielerin schon ewig liebende Inspizient Michonnet ein echtes Profil. Aber immerhin setzt das Dreiecksverhältnis rund um die Diva packende, dramatische Effekte frei.

Dies gelingt dem Regisseur David McVicar, dessen Inszenierung von 2014 jetzt wieder aufgenommen wurde, durchaus mit seiner detailverliebten, auch bei den Nebendarstellern und Statisten genau gearbeiteten, mit vielen Symbolen angereicherten Personenführung darzustellen. Natürlich wirkt vieles durch die historisierte Ausstattung nach dem heutigen Geschmack „gestrig“: Etwa die prunkvolle, an der Grenze zum Kitsch vorbeischrammende Theaterbühne oder das luxuriöse Landpalais, ausgedacht von Charles Edwards, aber auch die geradezu prachtvollen, üppigen Roben von Brigitte Reiffenstuel. In dieser Rokoko Ausstattung, die unwillkürlich an eine alte Inszenierung von Strauss „Rosenkavalier“ erinnert, wuseln die Livrierten herum, da wogen die Reifröcke, da wacheln die Fächer. Dazu passt auch das kurze Ballett, wie es Andrew George gestaltet hat. Da es sich bei der Produktion um eine Übernahme aus London aus 2010 handelt, die auch schon auf einer DVD verewigt wurde und die man auf hiesige Bühne gehievt hat, war klar, was einen erwartete. Es ist eine Ausstattung und Regie, die sich 2014 die Sängerin der Titelpartie Angela Gheorghiu gewünscht hat. Insgesamt haben sich fünf Häuser für diese Produktion zusammengetan. Und man sollte bei der heutigen Geschmacks- und Meinungsvielfalt auch solche Inszenierungen, akzeptieren, wenn sie gut gearbeitet sind und nachvollziehbar sind.

Adriana, eine historische Figur aus der Voltaire-Zeit, ist eine hübsche Primadonna der Schauspielbühne. Anna Netrebko ist eine hübsche Primadonna der Opernbühne, die diese Partie geradezu ideal verkörpert. Da sitzt jede noch so kleinste Geste, auch gewollte, kleine Manieriertheiten, die für diese Partie ja ohnedies passen. Sie wird zum mädchenhaften Wesen, das in eine Traumwelt eintaucht und das zwischen realen Leben und Schauspiel nicht immer zu unterscheiden weiß. Bestechend sind ihre Pianissimi, ihre makellose Technik, ihr Legato, alle ihre Spitzentöne und ihre hohe musikalische Sensibilität. Ihre lange Sterbeszene wusste sie mit vielen, zarten Schattierungen zum Schluss völlig entrückt voll auszukosten. Eine prächtige Bühnenerscheinung mit enormer Präsenz ist auch Elena Zhidkova als ihre Rivalin. Sie singt die Fürstin Bouillon mit dunklem Mezzo. Die dramatische Wucht ihrer Töne verschmilzt mit nie bröckelnder Klangfülle. Piotr Beczala als umworbener Maurizio wirkt anfänglich etwas angestrengt, singt aber dann mit seinem herrlichen Timbre, ungefährdet sind jedenfalls seine Spitzentöne. Roberto Frontali als verliebter Michonnet wirkt auch von der Regie eher alleingelassen, singt aber sehr kraftvoll und kernig. Er ist der Ruhepol des Geschehens und stets anwesender freundschaftlicher Halt für die Primadonna. Vom übrigen, reich besetzten Ensemble gefallen noch  Raúl Giménez als intriganter Abate mit schön geführtem Tenor, wie auch Alexandru Moisiuc als stimmgewaltiger Fürst.

Reich aufgefächert hat Evelino Pidó die reizvollen Klangfarben der vielschichtigen Partitur im Staatsopernorchester. Da ist Platz für Lyrik, Ironie und Dramatik. Nur ganz selten werden die Emotionen zu hitzig und der Phonpegel etwas überzogen.

Am Ende überschlägt sich das Publikum mit Jubel!

Helmut Christian Mayer

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