„Töne, töne süße Stimme…“: Um mit dem Dichter Hugo von Hofmannsthal selbst zu sprechen, hängt dieser Wunsch, ihr noch länger zuhören zu wollen, auch nach dem Ende noch lange nach. Denn Camilla Nylund verströmt als Ariadne betörenden Schöngesang und weiß blühende Bögen und reiche Schattierungen zu formen. Aber auch sonst vermag dieser eigenartige aber reizvolle Zwitter aus ernster und komischer Oper aus der Feder des kongeniales Paares Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal mit Protagonisten von hoher Qualität zu faszinieren. Die junge Serena Sáenz Molinero singt die mörderisch schwere Partie der Zerbinetta mit einem Feuerwerk an funkelnden Tönen und großer Flexibilität. „Musik ist eine heilige Kunst“: Wunderbar innige, feingeschliffene Töne findet man beim Komponisten von Kate Lindsey. Jochen Schmeckenbecher ist wie immer ein bewährter, grundsolider Musiklehrer. Nicht an seine Vorbilder heranreichend und mit zu wenig Präsenz singt Eric Cutler den Bacchus. Der Schauspieler und Direktor des Wiener Theaters an der Josefstadt Herbert Föttinger ist bei seinem Staatsoperndebüt ein ungemein arroganter Haushofmeister. Auch die vielen kleineren Rollen sind sehr gut besetzt, bei denen Thomas Ebenstein als Tanzmeister und Michael Arivony als Harlekin herausragen. Aber Carlos Osuna (Scaramuccio), Ilja Kazakov (Truffaldin) aber auch die drei Nymphen (Bryony Dwyer, Szilvia Vörös und Aurora Martens) singen tadellos.
Der deutsche Jungdirigent Thomas Guggeis lässt das Orchester der Wiener Staatsoper immer durchsichtig, teils mit recht straffen Tempi, nur selten die Sänger zudeckend, musizieren. Es fehlt jedoch etwas an delikatem Raffinement und an effektvoll aufrauschenden, schwärmerischen Klängen.
Sven-Eric Bechtolfs Inszenierung im ästhetischen Jugendstilsalon von Rolf Glittenberg und den geschmackvollen Kostümen von Marianne Glittenberg, bleibt immer dezent am Herzschlag der Handlung. Das Vorspiel, ebenso wie die Buffoszenen der Oper werden nicht von Lebendigkeit dominiert, denn Bechtolf sind das subtile Herausarbeiten der Charaktere und ihre Beziehungen zueinander wie auch die feine Ironie wichtiger. Die „Oper“ selbst, vom reichsten Mann von Wien samt Gefolge von ansteigenden Stuhlreihen wie in einem kleinen Theater beobachtet, mit den drei zerlegten Klavieren, die die „wüste Insel“ versinnbildlichen, verströmt morbide Ruhe, unterbrochen von den buntscheckigen Komödianten, die mit Tretrollern herumsausen.
Camilla Nylund wurde nach der Vorstellung durch Staatsoperndirektor Bogdan Rošcic und den Präsidenten des Solistenverbandes der Wiener Staatsoper Hans Peter Kammerer zu Recht der „Lotte-Lehmann-Gedächtnisring“ überreicht. Lotte Lehmann, Leonie Rysanek, Hildegard Behrens, Waltraud Meier waren ihre Vorgänger. In guten, wie in schlechten Tagen, wolle sie ihn tragen, erklärte die sichtlich gerührte Sängerin und hoffe, dass sie die Namenspatronin vor den Unbilden des Künstlerdaseins schützen werde, und nicht zuletzt vor „grauenhaften Kostümen“.
Großer Jubel!
Dr. Helmut Christian Mayer
10. November 2022 | Drucken
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