Ein Operettenklassiker ist die zweite große Produktion des Lehár Festival: „Der Vogelhändler“ von Carl Zeller, der zu den beliebtesten des Genres überhaupt gehört, was hier in Bad Ischl auch schon Tradition hat. Traditionell, wie es das Publikum hier liebt, ist auch die Inszenierung von Annette Leistenschneider, allerdings wird das Geschehen in die 1950er Jahre verlegt. Es wird viel geblödelt, vieles wird missverstanden, es wird hinreißend getanzt und in Lederhosen schuhgeplattelt. Dazu gibt es eine neue Textfassung inklusive aktuellen politischen Anspielungen und Zitaten aus anderen Operetten und Musicals, etwa aus dem Zigeunerbaron oder Anatevka. Sogar Wagners Walkürenruf wird zitiert. Politiker und auch die Klimakleber bekommen in guter alter Operettentradition ihr Fett ab. Nicht immer ländlich aber passend sind Bühnenbild (Sabine Lindner) und Kostüme (Sven Bindseil).
Die Kostüme stammen aus verschiedensten Epochen und sind ein ziemlicher Mischmasch. Aber Zellers unvergessliche Melodien stehen im Mittelpunkt, die auch den Erfolg ausmachen wie etwa "Schenkt man sich Rosen in Tirol", "Griaß enk Gott, alle miteinander", "Als geblüht der Kirschenbaum". Und alles erklingt so, wie man sich das wünscht: David Sitka als der sture Tiroler Adam ist der allerdings schwer verständlich, stößt mit seinem Tenor immer wieder an seine Grenzen stößt und verfügt über etwas enge Höhen. Er kann jedoch mit dem Ahnl-Lied triumphieren. Jenifer Lary ist hingegen eine deutlich artikulierende und zudem flotte, liebenswerte und höhersichere Christel von der Post. Wunderbar singt Corina Koller, eine junge und bereits preisgekrönte Sopranistin die Kurfürstin Marie. Sie zieht die Fäden und agiert humorvoll und einfühlsam. Gerd Vogel ist ein Paradepiefke als stimmgewaltiger Barons Weps. Jonathan Hartzendorf als sein Neffe Stanislaus hingegen ist vom Typ her keine Idealbesetzung und viel zu lächerlich gezeichnet. Ivo Kovrigar als Süffle und Tomaž Kovačič als Würmchen sind ein köstliches Professorenduo, das in der Prodekanszene für viele Lacher sorgt. Patricia Nessy legt sich mächtig ins Zeug als zur Rocker-Lady mutierten Hofdame Adelaide, von einer „komischen Alten“, wie im Stück vorgesehen, ist sie allerdings weit entfernt. Zum Finale kommen die Liebenden zusammen, nur die Kurfürstin schickt ihren untreuen Gatten und erklärt: „Ich nehm den Dirigenten“.
Marius Burkert zeigt sich davon ziemlich „unbeeindruckt“ und lässt das Festivalorchester des Lehár Festivals Bad Ischl mit viel Drive und vielen Fassetten spielen. Homogen hört man auch den hauseigenen Chor, dessen Einstudierung von Matthias Schoberwalter sachkundig vornahm.
Wieder großer Jubel! Zu Recht, denn auch diesmal ist die Stimmung bestens! Das Publikum ist sehr klatsch- und jubelfreudig.
Dr. Helmut Christian Mayer
18. August 2023 | Drucken
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