Bei Puccinis „Madame Butterfly“ in Linz stirbt die Geisha diesmal nicht

Xl_butterfly-linz-c_petra_moser-12-24-3 © Petra Moser

Das Kind ist seit seiner Geburt vor drei Jahren schon ein ziemlich großer pubertierender, langhaariger und recht trotziger Teenager geworden, und das obwohl seine Mutter zur Heirat erst 15 Jahre alt war: So sieht das zumindest Regisseurin Isabel Ostermann in der Neuproduktion von Giacomo Puccini „Madame Butterfly“ am Linzer Landestheater im heurigen Puccini-Jubiläumsjahr. Aber es geht noch weiter, denn der Junge ist ab dem zweiten Akt omnipräsent auf der Bühne. Meist sitzt er auf einer Matratze und hat die Kopfhörer auf oder er reißt Papierseiten aus einem Buch heraus, knüllt sie zusammen und schmeißt sie herum oder er zieht sich angewidert die Kapuze seines Sweaters über den Kopf. Und als seine Mutter ihr Messer zum Selbstmord ansetzt, greift er ein und entreißt ihr das Messer. Denn diesmal in Linz darf, nicht so wie im Libretto vorgesehen, Butterfly offensichtlich nicht sterben.

Nüchtern, schmucklos, kalt, leergeräumt ist die Bühne mit ihren weißen Wänden und der weißen Decke. Keine Spur von exotischem Japonismus oder asiatischer Ornamentik (Bühne: Sabine Mader). Die Kostüme und Frisuren wirken westlich, etwa aus den 1920-er Jahren in den Farben, Weiß, Schwarz und Rot (Julia Burkhart). Im zweiten Teil sind auf der Bühne verstreut Kindermöbel zu sehen, Kartons und zahlreiche Bürolampen, deren Sinnhaftigkeit sich nicht erschließt. Videos zeigen Meereswellen, beim Liebesduett tauchen grell leuchtende, riesige Quallen auf, später im Zwischenspiel zum letzten Bild sieht man seltsame Fuß- und Handwaschungen und zum Finale kurz aufblitzende Frauengesichter. Ideen hat die Regisseurin genug aber sie sind sehr merkwürdig und schwer nachvollziehbar und das minimalistische Ambiente fördert nicht gerade die szenischen Emotionen der Protagonisten.

Große Gefühle erzeugen hingegen  die Protagonisten im Musikalischen: „Addio, addio“, schluchzend und mit Tränen erstickter Stimme nimmt die unglückliche Cio-Cio-San Abschied. Das Publikum tief zu berühren weiß Joanna Zawartko, aber nicht nur in dieser Schlussszene. In einer weiten Gefühlspalette vermag sie Innigkeit, Naivität, Freude wie auch Verzweiflung intensiv und höhensicher den ganzen Abend auszudrücken. Carlos Gardoso ist ein leichtfertig mit den Gefühlen spielender und sehr lässiger Pinkerton in Sportbekleidung. Er singt ihn mit nuancenreichem Tenor und mühelosen Höhen. Adam Kim ist ein kerniger, in der Tiefe etwas knorriger Sharpless, der allerdings optisch ziemlich verschlammt und zerknittert herumlaufen muss. Angela Simkin ist eine stimmlich und darstellerisch sehr berührende, samtig klingende Suzuki, Christian Drescher ein schmieriger Goro. Auch die vielen kleine Rollen sind gut besetzt, derChor des Linzer Landestheaters singt tadellos.

Besonders großen Anteil am Erfolg hat auch das Bruckner Orchester Linz unter Patrick Lange. Da strömen hohe Leidenschaft, feinste Töne aber auch mitreißende dramatische Ausbrüche und ein vielfältiger Farbenreichtum sowie Transparenz aus dem Graben.

Viel Applaus und lautstarke Buhs für die Regisseurin!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

 

 

 

 

 


 

 

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