Bellinis “I puritani” in Erl: Eine Sternstunde des Belcantos

Xl_puritani-erl-12-24 © Kreativ Kartell

Mit seinem Welterfolg „Norma“ konnte sich „I puritani“ von Vincenzo Bellini nie messen. Das Beängstigende dieser Geschichte jener letzten Oper des großen Belcanto-Komponisten, die von einer Liebesgeschichte vor den historischen, blutrünstigen Machtkämpfen zwischen den Puritanern eines Oliver Cromwell und den königlichen Kavalieren im 17. Jahrhundert in England handelt, liegt auch am recht unschlüssigen Libretto und deren schwere, szenische Umsetzbarkeit. Das dachte man sich wohl auch bei den Tiroler Festspielen in Erl, weswegen der neue Intendant Jonas Kaufmann eine rein konzertante Aufführung der Oper ansetzte.

In erster Linie geht bei der Oper „I puritani“ um den Belcanto und verlangt exzellente Sänger. Und diese sind in Erl, trotz mehrfacher krankheitsbedingter Umbesetzungen reichlich vorhanden.  Der eine Star des Abends heißt Jessica Pratt. Sie wird als Elvira zu Recht vom Publikum bejubelt. Auch die allerhöchsten Töne sitzen sicher, die Koloraturen sind technisch perfekt und von größter Sauberkeit, die Phrasierung und die Legatokultur sind wunderbar, der Ausdruck ist innig. Und zudem wird all das mit scheinbar großer Leichtigkeit vorgetragen. Sie bietet einfach Belcanto in Reinkultur, zu deren führenden Interpretinnen sie mittlerweile zählt und man gerät über diese Stimme unweigerlich ins Schwärmen. Der zweite ist Levy Sekgapane als Arturo Talbo, Elviras Geliebter. Er verfügt über einen hellen, schlanken, Tenor mit allen unglaublichen Höhen. Stimmgewalt und viele Schattierungen seiner Rolle zu vermitteln, singt der Bariton Mattia Olivieri den Sir Riccardo Forth. Uneingeschränkt fasziniert auch Giorgi Manoshvili mit einem sehr edlen, große Gesangskultur verströmenden und betont differenziert gestalteten Rollenporträt des Sir Giorgio. Erfreulich zu hören ist auch Emilia Rukavina mit ihrem angenehmen Mezzo als Enrichetta. Rollendeckend singen Pawel Horodyski mit prachtvollem Bass den Lord Gualtiero Valton und Peter Kirk den Sir Bruno Robertson. Ausdruckstark und sehr homogen wirkt der Chor des Hauses.

Am Pult des Orchesters der Tiroler Festspiele Erl führt, mit teils etwas überzogener Zeichengebung Lorenzo Passerini souverän und mit viel Esprit durch die anspruchsvolle Partitur. Er agiert sehr sängerfreundlich, ist ihnen ein sehr aufmerksamer Begleiter und gibt ihnen viel Raum.

Jubel gab es schon nach jeder einzelnen Arie und stehende Ovationen zum Finale für eine regelrechte Sternstunde des Belcantos und einen gelungenen Einstand für den neuen Intendanten Jonas Kaufmann!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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