Vittorio Grigolo ist angesagt und die Wiener Staatsoper ist ausverkauft. Diesmal als Don José in Georges Bizets „Carmen“: Stimmlich in ausgezeichneter Verfassung und mit hoher Strahlkraft ausgestattet. Manchmal neigt er jedoch zu einigen manieriert wirkenden Eigenwilligkeiten, was Tempo und Dynamik betrifft. Auch seine Gestik wirkt teils überzogen. Überzeugend packend ist der italienische Tenor in der Schlussszene. Ihm zur Seite Vasilisa Berzhanskaya: Sie singt die Titelpartie als Rollendebütantin am Haus mit hoher Technik und vielen Farben ihres dunklen Mezzos, allerdings ziemlich zurückhaltend, so wie ihr Spiel. Rollendebütantin Kristina Mkhitaryan muss in die Partie der Micaëla noch etwas hineinwachsen. Sie verfügt über einen etwas kleinen Sopran, wiewohl bei ihr schon viel Innigkeit zu erleben ist. Alexey Markov ist ein sonorer und kerniger Escamillo. Nicht zu vergessen die vielen kleinen Rollen, wie der wuchtige Zuniga von Ilja Kazakov und die prächtige Frasquita von Maria Nazarova. Aber auch Szilvia Vörös (Mercédès), Augustín Gómez (Remendado), Michael Arivony (Dancairo) sowie Stefan Astakhov (Moralès) gefallen. Beeindruckend singt der Staatsopern- und Kinderchor, der sich auch durch besondere Vitalität im Spiel auszeichnet.
Asher Fisch am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper stürmt allzu sehr im Eilschritt durch die Ouvertüre. Ebenso neigt er danach zu eigenwilligen, auch langsamen, teils zerdehnten Tempi mit einem teils etwas beiläufigen Dirigat. Es entstehen aber auch durchaus packende Momente, wie etwa zum Finale.
Über die Inszenierung von Calixto Bieito wurde schon viel geschrieben. Zu sehen ist ein trostloses Ambiente. Es gibt kein Sevilla, keine Folklore und keinen Ausstattungsglanz. Die Geschichte spielt irgendwann im Nirgendwo auf einer leer geräumten und immer wieder eingenebelten Bühne mit eher schäbigen Kostümen: Eine Telefonzelle, ein Fahnenmast und mehrere Oldtimer der Marke Mercedes, in denen gesoffen wird. Zudem noch eine im Hintergrund aufgestellte, später umfallende Plakatwand, einen Stier darstellend. Es herrscht Brutalität, auch unter den Soldaten und den Mädchen und zwischen beiden Gruppen.
Dr. Helmut Christian Mayer
22. April 2024 | Drucken
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