„Carmen“ an der Wiener Volksoper: Ihr Tod wird frenetisch bejubelt

Xl_carmen-volskoper-wien-barbara_palffy-9-24-1 © Barbara Palffy

Lebensfreude und Vitalität beherrschen die Bühne, sobald sich der Vorhang öffnet. Bemalte Kulissen und historische Kostüme deuten auf Sevilla in Andalusien hin. Alle in einer fast traditionellen Personenführung: So konventionell präsentiert sich Georges Bizets „Carmen in der neuen Inszenierung von Hausherrin Lotte de Beer an der Wiener Volksoper zu Beginn. Doch immer mehr kündigt sich die Tragödie an, die Kulissen werden sukzessive umgedreht, wo sie völlig dunkel sind. Der Sternenhimmel im zweiten Akt in der Taverne von Lilias Bastias erweist sich als Täuschung, er ist bloß ein Vorhang, wie Carmen bald selbst bemerkt. Diese wird von der Regisseurin und Direktorin der Volksoper in den zentralen Fokus gerückt und als sehr bestimmte und extrem freiheitsliebende Frau und nicht als Vamp dargestellt. Bald merkt Carmen aber, dass sie selbst nur Teil einer Inszenierung ist, in der Realität und Fiktion verschwimmen. Sie tritt immer wieder vor den Vorhang und kommuniziert nonverbal mit dem Publikum. Ab dem Ende des dritten Aktes wird die Szenerie vollends zum Theater im Theater, denn dann öffnet sich hinten ein mehrstöckiges Logentheater (Bühne: Christof Hetzer) mit dem Chor als Publikum in Theaterkleidung, das Carmen sogar an der Flucht hindert, dem finalen Femizid, der sehr drastisch gezeigt wird, förmlich entgegenfiebert und diesen letztlich frenetisch bejubelt.

Die Dialoge sind auf Deutsch, gesungen wird auf Französisch. Katia Ledoux in der Titelpartie trägt einen schwarzen Overall, sie strahlt allerdings keinerlei knisternde Erotik aus. Ihr Mezzosopran ist sehr angenehm timbriert, voluminös ausdruckstark. Tomislav Mužek singt den Don José mit viel Schmelz. Sein Tenor ist jedoch fast zu lyrisch für die Rolle, und wird manchmal etwas eng in der Höhe. Die Micaela wird von Iulia Maria Dan mit einem etwas harten und teils scharfen Sopran gesungen. Es fehlt ihr auch etwas Innigkeit, trotzdem kann sie Emotionen entfalten. Josef Wagner ist ein eleganter, in der Tiefe etwas knorriger Escamillo. Die vielen kleinen Rollen sind untadelig besetzt und so gefallen singen Alexander Fritze als stimmgewaltiger Zuniga, Michael Arivony als Moralès, Alexandra Flood als Frasquita, Sofia Vinnik als Mercédès wie auch die anderen Schmuggler mit Karl-Maria Ebner als Remendado und Marco Di Sapia als Dancaïro sowie der Knaben- und Chor der Wiener Volksoper (Einstudierung: Roger Díaz-Cajamarca),  der Tanz des Torero-Balletts wirkt ironisierend.

Mit sehr straffen, teils überzogen schnellen Tempi und sehr ausgereizt in der Dynamik ist das Orchester der Wiener Volksoper unter dem jungen und neuen Musikdirektor Ben Glassberg unterwegs. Man hätte sich jedoch öfters ein stärkeres Auskosten der ruhigen Phasen gewünscht.

Zu Finale gab es Jubel allerdings auch lautstarke Buhs für Lotte de Beer!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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