„An den Ufern des Styx wird dich mein Schatten erwarten“: Es sind die letzten Worte von Medea. Sie steht im oberen Stockwerk des schicken Büros mit einem vor Blut triefenden Messer, mit dem sie soeben ihre Kinder getötet hat. Gleich danach entfacht sie ein riesiges Feuer, aus dem es kein Entkommen gibt und in dem alle umkommen. Nur Jason bleibt allein vor dem Trümmerhaufen zurück: Es ist ein spektakulärer Schluss, der Guy Montavon bei „Médée“ von Luigi Cherubini, (UA 1797), ein antiker Stoff der von etlichen Komponisten vertont wurde, am Linzer Landestheater da eingefallen ist.
Ins Heute hat er das Seelendrama nach Euripides - eine Koproduktion mit der Opéra de Nice und dem Theater in Erfurt- nach New York verlegt, in die obersten Etagen eines Hochhauses, eine Art Trump-Tower, wo seinerzeit Jason und Medea ein multinationales Finanzunternehmen gegründet haben. Eine nicht unbedingt neue aber vertretbare Konzeption. Man sieht ein mit Laptops ausgestattetes Großraumbüro und hinter den Glasfronten weitere Wolkenkratzer (Ausstattung: Annemarie Woods). Der exzellent singende Chor des Hauses fungiert als uniformierte Büroangestellte. Der Regisseur will die Zeitlosigkeit des Themas zeigen und die psychische Verfassung der Protagonisten offenlegen, die eindrucksvoll spürbar wird und er hat viele Ideen. So erhält Dircé, die erste Frau Jasons von diesem einen goldenen Widderkopf, symbolhaft für das goldenen Vlies. Und sie wird anders als in der Vorlage durch ein fatales Hochzeitsgeschenk von Medea, dem symbolträchtigen, roten Schal dem seinerzeitigen Zeichen ihrer Liebe zu Jason und einer Pistole in den Selbstmord gedrängt.
Untrennbar ist diese Rolle mit Maria Callas verbunden: Und mit welcher Intensität die „Primadonna assoluta“ die „Medea“ in der italienischen Fassung der 1797 uraufgeführten Oper von Luigi Cherubini interpretierte, bleibt unvergesslich und möglicherweise singulär.
In Linz spielt man die französische Version, in einer kritischen, gekürzten Ausgabe aus 2008 mit stark gekürzten, deutschen Dialogen und auch musikalischen Strichen: Brigitte Geller ist als sehr präsente und intensive Titelheldin mit allen diffizilen Tönen zu erleben, denen es jedoch manchmal etwas an Durchschlagskraft fehlt! Darstellerisch durchlebt sie den Wandel von der bedingungslos liebenden über die seelisch total zerrissenen Frau bis hin zur wahnsinnigen, hasserfüllten Megäre, die in blinder Wut ihre eigenen Kinder tötet, nur um ihrem ehemaligen Geliebten Jason immense Schmerzen zu bereiten.
Den Jason, hier als schwacher Charakter gezeichnet, gibt Matjaž Stopinšekhöhensicher mit schönem Tenor. Martin Achrainer singt Créon, seinen Vater und König von Korinth kraftvoll und mit großer Bühnenpräsenz. Die helle, koloraturensichere, saubere Sopranstimme der mit Jason verkuppelten Dircé ist bei Therese Grabner ein gelungener, ausdrucksstarker Gegenpart zu Médée. Auch Médées Begleiterin Néris, gesungen von Jessica Ecclestone, fügt sich wohltuend in das ausgezeichnete Ensemble ein. Dass die Oper so selten aufgeführt wird, liegt wohl daran, dass den Darstellern nicht nur stimmlich, sondern auch darstellerisch Enormes abverlangt wird.
Bruno Weil, erster Gastdirigent des Bruckner Orchester Linz dirigiert dieses sehr routiniert und sicher. Dramatisch, energiegeladen und immer leidenschaftlich spielt das Orchester auf, allerdings hätte man sich fallweise noch packendere Akzente gewünscht.
Viel Applaus!
Dr. Helmut Christian Mayer
07. Mai 2019 | Drucken
Kommentare