Debussys "Pélleas et Mélisande" in Klagenfurt: Rästelhafte, schimmernde Emotionen

Xl_pelleas_et_melisande-klagenfurt-2-19-1 © Karlheinz Fessl

„Eine gespenstische Harmonie“, in der „Nachtwandler mit schweren Träumen herumirren“ schwebte Maurice Maeterlinck vor. Von diesem symbolistischen Gedicht „Pelléas et Mélisande“ restlos begeistert, formte Claude Debussy, ein „Drame lyrique“, sein einzig vollendetes Musikdrama, das in Frankreich zu den am meisten aufgeführten Opern zählt. (Die Uraufführung fand 1902 in Paris statt). Nicht jedoch in unseren Breiten, was daran liegen dürfte, dass die handlungsarme Geschichte beim ersten Mal hören für einige teils doch etwas zu langatmig und zu wenig dramatisch wirkt. Gerade deshalb ist es besonders erfreulich, dass sich das Stadttheater Klagenfurt, in einer Koproduktion mit dem Pariser Théatre des Champs-Èlysées, wo die Produktion schon 2017 erfolgreich gezeigt wurde, dieses impressionistischen Meisterwerks erstmalig überhaupt annimmt.

Das Ganze solle außerdem „mehr angedeutet als beschrieben“ werden: So eine weitere Anweisung des Dichters. Und genau nach all diesen Vorgaben entwarf Èric Ruf ein morbid-düsteres aber doch stimmungsvolles Bühnenbild mit Nebelschwaden, Wasser, Brunnen, Fischernetzen und einem modrigen halbrunden Gemäuer, das düstere Schloss Allemonde darstellend, in das die Sonne nicht mehr vordringt. Mit zu dieser tristen aber auch geheimnisvollen Atmosphäre tragen die durch das Wasser reflektierenden, glitzernden Lichtstimmungen bei, die an den Mauern tanzen. In diesem dunklen Ambiente können sich die prachtvollen Kostüme von Christian Lacroix wundervoll entfalten, indem sie durch das Öffnen eines Fensters oder einer Türe in goldenes Licht getaucht werden. So in der berühmten Turmszene, wo Mélisande in einem hochgelegenen Fenster, einzig aus der komplett dunklen Umgebung strahlend beleuchtet, ihre langen, roten Haare kämmend wie ein Gemälde von Klimt wirkt. Das Herablassen der meterlangen Haare bis zum Boden wirkt jedoch schon fast wieder kitschig. Dazu kommt eine ausgefeilte, subtil angelegte Personenführung von Ruf (die Einstudierung in Klagenfurt besorgte Laurent Delvert), die immer am Text bleibt und von kleinen Gesten und Blicken lebt.

Stark ist das Sängerensemble: Ilse Eerens ist eine mädchenhafte, zerbrechliche Mélisande. Sie singt die geheimnisvolle, undurchschaubare Außenseiterin mit feinsten Nuancen und tiefgehender Innigkeit. Jonathan McGovern ist ein jugendlich naiver, sanftmütig schwärmerischer, geschmeidig singender Pelléas. Oliver Zwarg ist ein von Eifersucht zerfressener, selbstquälerisch zwischen Sanftmut und Jähzorn hin und her gerissener Golaud mit kraftvollem Gesang. Sein Sohn Yniold wird von Lisa-Maria Lebitschnig kindlich und mit großer Tonreinheit gesungen. Nicholas Cavallier ist ein sehr ergreifender, kerniger Arkel. Alexandra Kloose hingegen singt die Mutter Geneviève mit meist zu tief angesetzten Tönen. Kernig hört man Taras Kuzmych als Arzt.

Bei diesem faszinierenden Musiktheater des Symbolismus, eine mäandernde, zu Szenen collagierte Tondichtung zeigt das Kärntner Sinfonieorchester unter seinem Chefdirigenten Nicholas Carter eine delikate Differenzierungskunst von Debussys schillernder, genialer Partitur, die als perfekte Wagner-Antithese in die Musikgeschichte eingegangen ist. Zarteste Farbmischungen, subtile träumerische Klänge verdichten sich zu einem impressionistischen Gemälde.

Kurzer, heftiger Applaus! Die Produktion wandert noch nach Dijon und Toulouse.

Dr. Helmut Christian Mayer

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