Schon am Gang wird man zuerst freundlichst wedelnd von einem Cockerspaniel namens „Moses“ und dann von Aron Stiehl selbst begrüßt. „Meine Eltern haben mir wegen der gleichnamigen Figur aus dem Kultroman ‚Jenseits von Eden‘ von John Steinbeck diesen Namen gegeben. Deshalb habe ich meinem Hund in Anspielung an die Schönberg-Oper ‚Moses und Aron‘ so genannt,“ erzählt der Intendant des Stadttheaters Klagenfurt schmunzelnd. Als man dann sein Büro betritt, erklingt erwartungsgemäß klassische Musik: Mozarts „Cosi fan tutte“. „Mozart ist für mich einer der bedeutendsten Komponisten.“ Diesem Raum im zweiten Stock mit Blick auf den Goethepark hat Stiehl seine ganz persönliche Note verpasst: Alte geschmackvolle Stilmöbel, kleine Bühnenmodelle, ein altes Grammophon und Theaterkostüme auf Puppen. „Dieses hier trug der junge Jonas Kaufmann, als er hier am Haus Mozarts ‚Titus‘ sang“, erklärt er. Wie überhaupt das Stadttheater immer wieder eine Art Sprungbrett für viele Nachwuchssänger war.
Aron Stiehl, der erstmalig ein Haus leitet, hat sich seine erste Saison am Drei-Spartentheater auch anders vorgestellt: „Durch die Pandemie wurden wir gehörig durcheinandergewirbelt, mussten ständig umplanen und vieles, wie etwa Verdis ‚Rigoletto‘ oder Shakespeares ‚Was ihr wollt‘ auf die nächste Saison verschieben. Meine auswärtigen Inszenierungen in Detmold und Bonn wurden auch verschoben. Und Streaming ist kein Ersatz für reales Theater. Die Energie des Publikums kann durch nichts ersetzt werden. Theater ist ein unabdingbarer Bestandteil unserer Gesellschaft! Jetzt freuen wir uns, dass wir wieder vor Publikum spielen können!“ Gestartet wird am 20.5. mit Rossinis „Barbier“, den es schon als Geisterpremiere ohne Publikum nur für einige Journalisten und als Aufzeichnung für das Radio gab. Am 5.6. folgt Zellers „Der Vogelhändler“, den der Hausherr auch selbst inszenieren wird: „Die Einladung dafür stammt noch von meinem Vorgänger Florian Scholz, der ja früher als geplant, nach Bern wechselte. Ich habe das Stück mit seiner phantastischen Musik schon vor vielen Jahren einmal inszeniert. Wir haben es schon fertig geprobt, mussten die Premiere aber mehrfach verschieben. Ich habe eine eigene Dialogfassung geschrieben mit Christoph Wagner-Trenkwitz als Erzähler.“ Stiehl verspricht pralles Theater mit viel Spaß und Witz. Es wird viel zum Lachen und zum Weinen geben, also alles, was die Leute so mögen. In Klagenfurt hat Stiehl schon öfters inszeniert, neben Operetten, Musicals auch Opern wie „Fidelio“ und „Schlafes Bruder“ von Herbert Willi, nach dem Roman von Robert Schneider, was ihm tolle Kritiken einbrachte.
„Das Haus habe ich in einem sehr guten Zustand übernommen. Mir gefällt der Stagione-Betrieb hier viel besser als das Repertoiretheater, weil man damit mit besserer Qualität punkten kann. Auffällig ist, dass Theater den Menschen hier in Österreich mehr als in Deutschland bedeutet. Das kann ich sagen, denn ich habe allein 19 Jahre in Berlin gelebt. Immer wenn ich mit meinem Hund spaziere, werde ich von Passanten darauf angesprochen. Ich fühle mich in Klagenfurt sehr wohl und mag nicht mehr in einer Großstadt zu wohnen, die Menschen hier sind viel offener.“
Auch in Wien konnte man bereits zwei Inszenierungen des 52-jährigen Wiesbadner erleben, und zwar an der Volksoper „La Wally“ von Catalani sowie Wagners „Der Fliegende Holländer“, beides wurde vom Publikum und dem Feuilleton sehr positiv aufgenommen. „In Wien habe ich mich regelrecht verliebt. Es ist eine ungemein lebenswerte Stadt und eine tolle Kulturstadt.“ Der in Hamburg von Götz Friedrich ausgebildete Musiktheater-Regisseur („Das war ein toller Lehrer) war auch Assistent von Peter Konwitschny („Diese Zeit war auch sehr prägend für mich“) und mehrere Jahre Spielleiter an der Bayrischen Staatsoper, wo er auch inszeniert hat. Neben zahlreichen Inszenierungen u.a. in Salzburg, Bern, Halle, Magdeburg, Heidelberg, Coburg, Münster, Augsburg, Leipzig, Bonn und auch bei den Bayreuther Festspielen (Wagners „Liebesverbot“) hat er als Regisseur auch schon mit Pultstar Zubin Metha in Israel bei Mozarts „Entführung“ und in Florenz sowie in Valencia bei Wagners „Götterdämmerung“ zusammengearbeitet.
„Wagner ist für mich ein ganz wichtiger Komponist, deswegen wird eines meiner ersten Projekte hier in Klagenfurt sein, seinen kompletten „Ring“ auf die Bühne zu bringen. Wir starten schon diesen September mit der „Walküre“. Auf den Einwand, ob das Haus dafür nicht etwas zu klein ist, argumentiert er: „Der ‚Ring‘ war ja für das Festspielhaus in Bayreuth mit seinem verdeckten Orchestergraben komponiert. Deshalb Wagner hat ja eine eigene, reduzierte Coburger Fassung für kleinere Häuser geschrieben. Die werden wir spielen. Das Haus in Coburg hat sogar einen kleineren Orchestergraben als Klagenfurt. Wir haben auch Sänger von hoher Qualität engagiert.“
Was ist für Aron Stiehl bei einer Inszenierung wichtig? „Es gibt keine traditionellen oder modernen Inszenierungen, es gibt nur gute und schlechte. Man sollte jedes Stück hinterfragen, was bedeutet es uns heute noch. Aber man sollte immer Respekt davor haben und sich nicht als Regisseur in den Mittelpunkt stellen. Ich bin kein Stückezertrümmerer und lehne den erhobenen Zeigefinger ab. Für mich gilt „Prima la musica“ und mich ärgert es immer wieder, wenn Regisseure sich nicht einmal die Musik anhören bzw. diese kaum kennen.“ Die Frage nach dem Sein zieht sich wie ein roter Faden durch viele seiner Arbeiten.
„Ich plane in Klagenfurt wegen der Nähe zu den angrenzenden Ländern und Kulturen zudem Stücke aus den drei Kultursprachen aus dem deutsch-österreichischen, dem italienischen und dem slawischen Bereich als Schwerpunkt zu spielen.“
Dr. Helmut Christian Mayer
17. Mai 2021 | Drucken
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