„Einmal möchte ich sie auch hören“, aber es blieb beim brieflichen Wunsch: Anton Bruckner hat seine monumentale 5. Symphonie, die er selbst „Phantastische“ genannt hat, nie gehört. Denn nach ihrem Abschluss 1878 verschwand sie 15 Jahre buchstäblich in der Schublade. An einer Aufführung einer entstellten Fassung 1893 unter Franz Schalk konnte er krankheitsbedingt nicht teilnehmen. Erst 40 Jahre nach seinem Tod erfolgte 1935 die Uraufführung in der Originalfassung in München. Jedenfalls schuf der oberösterreichische Symphoniker damit ein sehr persönliches Werk, das Werk eines Einsamen, eines tief im Glauben verwurzelten Menschen.
Es ist ein unglaublicher finaler Siegeszug, an dem auch der Hauptthema-Held des ersten Satzes, Arm in Arm mit dem verwandten Hauptthema des Finalsatzes teilnimmt. Zusammen streben sie dem großen Portal zu, über dem sich glanzvoll der Choral wölbt durch das sie strahlend schreiten. Nicht umsonst wurde es deshalb auch vom berühmten Dirigenten Wilhelm Furtwängler als das „monumentalste Finale der gesamten Musikliteratur der Welt bezeichnet.
Und die Wirkung verstärkt sich natürlich noch, wenn man es von einem europäischen Spitzenorchester wie den Berliner Philharmonikern unter ihrem Chefdirigenten Kirill Petrenko hören kann. In diesem Monumentalwerk, eine seiner kühnsten und modernsten Schöpfungen überhaupt, von etwa 80-minütiger Dauer wurden sowohl die kompositorische Architektur von Bruckners Symphonik, die er in keiner anderen Symphonie so klar strukturiert und sichtbar gemacht hatte wie bei der „Fünften“ wie ihr sakraler Gehalt, der hier besonders hervortritt, von den Musikerinnen und Musikern im Bruckner-Jahr bei den Salzburger Festspiele so eindringlich wiedergeben wie hier im Großen Festspielhaus. Ein Werk was es dem Zuhörer nicht leicht macht und höchste Konzentration von ihm und den Musikern verlangt.
An Konzentration mangelte es im Großen Festspielhaus wahrlich nicht. Auch nicht an Präzision, Transparenz, Farben und Klangmagie. Dafür sorgten die exzellenten Musikerinnen und Musiker unter Petrenko in überreichem Maße. Unter seiner umsichtigen, präzisen aber auch stets animierenden Leitung wurde, nach einem etwas bedächtigen Beginn mit sehr langen Generalpausen, mit großen Bögen die grandiose Klangarchitektur mit all ihren Kontrasten und Brüchen ideal herausmodelliert, immer unter Bedachtnahme auf die optimale Balance. Es bauten sich gewaltige Steigerungen mit nie nachlassender Spannung auf. Es war schlichtweg ein Genuss, den makellosen Kantilenen, den intensiven Aufschwüngen, den exakten Bläsern und den in warmen Farben tönenden Streichern, besonders im wunderbaren Adagio des zweiten Satzes bis hin zu den suggestiven und erschütternden Klangwelten des Finales des Mammutwerk, lauschen zu können.
Das Publikum spendete dem Maestro und den Musikern stehende Ovationen !
Dr. Helmut Christian Mayer
28. August 2024 | Drucken
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