Es waren Tränen der Rührung, die er in den Augen hatte, als ihm nach dem Ende der Oper der Staatsopernchor ein Geburtstagständchen gibt und lautstark „Happy Birthday“ singt, das von dem einem und anderem Musiker des Orchesters ebenfalls begleitet wird. Plácido Domingo ist ja am Tag vor dieser Aufführung 80 Jahre alt geworden. Gebe es keine Covid19-Pandemie, so wäre es auf der Bühne der Wiener Staatsoper wohl zu einer größeren Feier gekommen.
Plácido Domingo ist aber auch ein Phänomen: Der gebürtige Spanier feierte bereits sein 60-jähriges Bühnenjubiläum und beherrscht weit mehr als hundert Rollen, Tenorrollen aber auch nach seinem Fachwechsel bereits jede Menge Baritonpartien. So auch die Titelpartie von Giuseppe Verdis „Nabucco“, mit der er jetzt in der publikumsleeren Wiener Staatsoper, wieder waren nur eine Handvoll auserwählter Journalisten zugelassen, seinen Geburtstag feiern durfte. Die Rolle konnte nicht besser für ihn gewählt sein: Ein alternder König ringt mit Machtverlusten. Man mag zu Domingo stehen, wie man will, aber seine Bühnenpräsenz ist immer noch ausreichend vorhanden. Der Ausnahmesänger startet sehr nervös mit reichem Vibrato, das sich jedoch bald legt. Dass seine Stimme Verschleißerscheinungen aufweist, ist auf Grund seines Alters auch verständlich. So singt er nicht immer mit der gewünschten stimmlichen Kraft, vermag aber durch seine großartige Technik vieles zu kaschieren. Auch blitzt in der intakten Mittellage sein immer noch unvergleichliches, dunkles Timbre durch. Der Abend war für ihn sicher ein Kraftakt, denn man bewundern muss.
Ihm zu Seite schleudert Anna Pirozzi als Abigaille mit herbem Charme ihren Hass heraus. Sie ist aber durchaus zu lyrischen Tönen fähig. Als neues Ensemblemitglied des Hauses kann Freddie De Tommaso als Ismaele mit allen tenoralen Höhen, teils recht laut, punkten. Markant, kernig, vielleicht etwas zu trocken kann man Riccardo Zanellato als Zaccaria hören. Mit großer Innigkeit singt Szilvia Vörös die Fenena. Die kleineren Partien sind mit Dan Paul Dumitrescu, Daniel Jenz und Aurora Marthens rollendeckend besetzt. Wunderbar, homogen und reich schattiert erlebt man den Chor der Wiener Staatsoper (Einstudierung: Thomas Lang), nicht nur mit dem populären Hit „Va, pensiero“.
Der Routinier Marco Armiliato am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper lässt diese sehr kultiviert, exakt und mit dem nötigen, manchmal recht lauten Drive aufspielen.
Oratorienhaft, von Statik geprägt weiß die minimalistich-zeitlose Inszenierung von Günther Krämer auch nach fast zwei Jahrzehnten immer noch nicht zu begeistern. Sie wirkt völlig abstrakt, fast blutleer und ziemlich ideenlos.
In der Pause kommt Plácido Domingo im Porträt mit vielen Statements zu Wort. Mehrere Probenausschnitten sind ebenfalls zu sehen.
Nachzusehen und nachzuhören am: 24.1.2021, um 20.15 Uhr in ORF III.
Dr. Helmut Christian Mayer
24. Januar 2021 | Drucken
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