Reich ist die Gefühlslandschaft der Menschen, die sich auch in versinnbildlichter Form in der Natur verbirgt. Eine davon, die Melancholie war im Elisabethinischen Zeitalter in England nach 1580 weit verbreitet, fast eine modische Krankheit, was sich auch im Schaffen von zahlreichen Komponisten jener Zeit widerspiegelte. Im stimmungsvollen Ambiente der wunderbaren Stiftskirche St. Georgen am Längsee in Kärnten waren diese teils tieftraurigen Lieder jetzt zum herbstlichen und Corona bedingt verschobenen Auftakt der Trigonale, dem diesmal geteilten Festival der Alten Musik im südlichsten Bundesland von Österreich, zu hören.
Sei es bei John Dowland (“In Darkness Let Me Dwell”) oder Robert Johnson (“As I Walked Forth”) oder Thomas Morley (“Sleep Slumb‘ring Eyes”) Carine Maree Tinney lieh diesen Liedern und vielen mehr ihren glasklaren, reinen Sopran. Stilsicher, ohne Tremolo, mit feinster Legatokultur konnte die 31-jährige, mehrfach preisausgezeichnete Schottin, die auch bei weiteren Konzerten der Trigonale als „Artist in Residence“ zu hören sein wird, faszinieren.
Es war überhaupt ein Abend der feinsinnigen, überwiegend leisen und meditativen Töne. Dazu passte auch die einfühlsame und (teils fast zu) zurückhaltende Begleitung des 28-jährigen Lukas Henning aus Deutschland auf der Laute. Er konnte auch mit zwei Solostücken von John Dowland („Semper Dowland Semper Dolens“ und „Forlorn Hope“) glänzen.
Eingebettet darin gab es sogar eine Uraufführung: „wenn deine stimme mein ohr betritt, fährt mein lethargisches herz aus dem schlaf…“. Nach dem Gedicht „appassionata“ der Kärntner Schriftstellerin und Ingeborg Bachmann-Preisträgerin von 2011 Maja Haderlap schuf die 39-jährige slowenische Tonschöpferin Nana Forte als Auftragswerk der Trigonale eine feine, völlig tonale Komposition, zum Stil des Gesamtprogramms passend.
Viele Bravi und als Zugabe eine Wiederholung von Robert Johnsons ungemein anrührendem Lied „Have You Seen But a White Lily Grow?“
Dr. Helmut Christian Mayer
19. Oktober 2020 | Drucken
Kommentare