Die rhythmisch mitreißenden „Polowetzer Tänze“ haben Alexander Borodin berühmt gemacht, seinen „Fürst Igor“ hingegen kennt kaum jemand. Dabei stammen diese beliebten, immer wieder in Konzerten gespielten Tänze genau aus dieser Oper, die ein Fragment blieb und von Alexander Glasunow und Nikolai Rimski – Korsakow vollendet wurde. Aber es ist durchaus wert, sein einziges Musikdrama wiederzuentdecken, denn es enthält auch sonst noch jede Menge glutvolle Musik, die aus dem Schatz des russischen Melodiengutes, aus Volksliedern und Kirchenmusik vermischt mit viel eigenem Feinsinn und orientalischem Kolorit geschöpft wurde. Leider erklingt diese im Orchester des Teatro Verdi Triest in einer Produktion der Nationaloper von Odessa unter Igor Chernetzki zu wenig zündend, seltsam ausgedünnt und zu wenig klangvoll. Auch gibt es zahlreiche Wackelkontakte unter den Musikern im Graben selbst und auch mit der Bühne.
Überwiegend zufrieden darf man hingegen mit den Sängerinnen und Sängern sein: Als Titelhelden erlebt man Alexey Zhmudenko stimmgewaltig und mit großer Bühnenpräsenz. Bei seinem Gegenspieler Viktor Shevchenko als Khan Kontschak, Anführer des Polowetzer Volkes, darf man sich über einen schwarzen Bass mit phänomenaler Tiefe freuen. Anna Litvinova als Igors Frau Jaroslawna verfügt über eine schöne Mittellage mit vielen Nuancen, sie wird aber in den absoluten Spitzentönen etwas eng. Mit uneingeschränkter Höhe hingegen und ungemein schönem, lyrischen Tenor vernimmt am Wladislaw Goray als ihren Sohn Wladimir. Dmitry Pavlyuk singt den Fürsten Galitzki zwar kraftvoll aber mit ziemlich nasal klingendem Bass. Kateryna Tsymbalyuk als Tochter des Khan singt mit schönem, dunklen Mezzo. Stimmgewaltig aber nicht immer intonationsreich hört man den Chor des Teatro Verdi Trieste, dessen Einstudierung Francesca Tosi besorgte, der von Sängern des Opernhauses aus Odessa verstärkt wurde.
Das vom Komponisten selbst verfasste, episch breite Libretto schildert mosaikartige Bilder aus der sagenumwobenen Frühgeschichte Russlands, von dem missglückten Feldzug des Fürsten Igor gegen einen heidnischen Nomadenstamm der Polowetzer samt dazugehöriger Liebesgeschichte. Stanislav Gaudasinsky hat die nicht besonders dramatisch aufgebaute Geschichte unter Weglassung des dritten Aktes sehr gestrafft. Eine erkennbare Personenführung findet jeodch nicht statt, dafür viele abgestandene Operngesten. Es wird auch kaum wirklich gespielt. Der Regisseur beschränkt sich auf imposante, statische und farbenreiche Arrangements mit naiven Hintergrundbildern einer Kathedrale, eines Sees oder der Mutter Gottes in ausgesprochen ästhetischen, traditionellen Kostümen. Aufgemotzt wird der szenische Stillstand jedoch durch mitreißend choreographierte Tanzszenen des Balletts des Opernhauses aus Odessa bei den Polowetzer Tänzen.
Das Publikum reagierte mit viel Applaus und einigen Bravi für ein in Italien kaum aufgeführtes Werk!
Dr. Helmut Christian Mayer
10. Februar 2019 | Drucken
Kommentare