Aus der Ferne riefen Trompeten zum „großen Appell“. Dann tönte wie aus einer anderen Welt ein einsamer Vogelruf der Piccoloflöte herüber. In gehauchtem, kaum hörbaren Misterioso intonierte hierauf der Chor, vorerst a-cappella, erstmalig die Klopstock-Ode „Aufersteh’n, ja aufersteh’n“. Und dann schwang sich in unaufhaltsamer Steigerung die Musik zu abgehobenen, sphärischen Höhen und monumentalen Klängen ins mehrfache Fortissimo empor: Aber nicht nur diese beeindruckendste Stelle der gesamten Mahlerschen Symphonik faszinierte das Publikum, sondern das gesamte wunderbare Werk. Mit der 2. Symphonie, der sogenannten „Auferstehungssymphonie“ von Gustav Mahler wurde, wegen des Wetters im Auditorium, sicherlich ein weiteres Konzert-Highlight des diesjährigen Grafenegg Festivals gesetzt. Dafür sorgte das London Symphony Orchestra unter Simon Rattle. Denn mit packendem Zugriff und enorm suggestiven Gesten, die den besten disponierten Musikern alles abverlangten, gelang es dem Chefdirigenten, alle gewünschten Effekte zu erzielen. Von Anfang an wusste der britische Sir eine ungemeine vibrierende Spannung zu erzeugen und diese auch trotz neunzig minütiger, kräfteraubender Länge des Werkes zu halten und all dies immer in wunderbarer Klangbalance und einem enormen Farbenreichtum.
Das monumentale Werk, das das Menschheitsproblem von Tod und Auferstehung genial verarbeitet, wurde somit mit großem Stimmungs- und Kontrastreichtum zu einem gewaltigen Ereignis. Dazu trug auch der äußert sensible, aber auch stimmgewaltig, homogen und rein singende Wiener Singverein (Einstudierung: Johannes Prinz) wie auch die beiden Gesangssolisten Louise Alder und Sarah Connolly, deren Alt beim feierlichen Urlicht-Gesang (einem Gedicht aus des Knaben Wunderhorn) besonders warm und weich zur Geltung kam.
Stehende Ovationen!
Dr. Helmut Christian Mayer
29. August 2022 | Drucken
Kommentare