In beiden Stücken geht es um tragische Schicksale, deren verzweifelte Protagonisten jeweils letztlich den Freitod wählen: Sowohl bei „Mr Emmet Takes a Walk“ von Peter Maxwell Davies (Uraufführung im Jahr 2000), wo die letzten Minuten aus dem Leben eines Mannes erzählt werden, bevor er unter den Zug geht. Als auch in Giacomo Puccinis „Suor Angelica“ ,das das Schicksal einer jungen, schwangeren Adeligen erzählt, deren Verwandtschaft ihr das Kind wegnimmt und sie ins Kloster verbannt. Es ist die mittlere Oper aus seinem Spätwerk „Il Trittico“ aus 1918. Jetzt spannte die Kunstuniversität Graz (KUG) bei ihrer heurigen Musiktheaterproduktion beide Einakter aus diesen verschiedenen Epochen zusammen und präsentierte sie in einer sehr gelungenen Produktion auf der MUMUTH-Bühne im Ligeti-Saal. Dabei gaben die beiden neuen Professoren eine exzellente Visitenkarte ab: Ingo Kerkhof, verantwortlich für die szenische Interpretation, zeigte im Einheitsbild für beide Opern zwischen rohen seitlichen Betonwänden, einer Brücke und wenigen Versatzstücken (Ausstattung: Lisa Offterdinger, eine KUG-Studierende der Bühnengestaltung) in beiden Opern eine recht konventionelle, klare Inszenierung mit präziser Personenführung. Auf Grund der kaum vorhandenen und sehr skurrilen Handlung bei „Mr. Emmet“ ging die Regie von „Suor Angelica“ wesentlich mehr unter die Haut. Dies ist aber auch neben der Handlung auf die Musik zurückzuführen.
Und Gerrit Prießnitz, der neue KUG-Professor für musikalische Interpretation, hatte das aus lauter exzellent spielenden Studierenden bestehende Opernorchesters der KUG souverän im Griff. Exakt und klar führte er durch Peter Maxwell Davies diffizile Partitur und er traf genau den Puls und Tonfall von Giacomo Puccinis subtiler und farbiger Musik. Im bestens disponierten Klangkörper erlebte man schattierungs- und stimmungsreiche Detailzeichnungen, aufregende Spannung und plappernde Vitalität.
Aber auch die Gesangsstudenten faszinierten mit extrem hohem Niveau: Bühnenpräsent und stimmkräftig war Taku Hayasaka als Mr. Emmet zu erleben. Oksana Vakula war eine höhensichere und wandlungsfähige KA, Gihwang Yoon ein profunder Mr. Todd. Die beiden letzteren schlüpften dabei verschiedenste Rollen. „Suor Angelica“ wurde hier als eine raffinierte Mischung aus Idylle und Depression gezeigt! In Trance halluzinierte zum Finale Angelica über ihr Kind, das als süßes Mädchen in kurzen Hosen und barfuß seinen Auftritt hatte. Kerkhof zeigt am Schluss sehr ergreifend den Liebestod einer Mutter. Marija-Katarina Jukic zeigte mit berührender szenischer und gesanglicher Gestaltung eine sehr intensive Angelica. Unerbittlich war ihre Gegenspielerin die La Zia Principessa, die von Justina Vaikuté bravourös gespielt und gesungen wurde. Auch die Nonnen in ihren vielen kleinen Rollen gefielen. Dabei ist noch Neira Muhic als La Badessa/ La Maestra delle Novizie besonders hervorzuheben.
Großer Jubel!
Dr. Helmut Christian Mayer
06. Juni 2023 | Drucken
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