Plácido Domingo ist ein Phänomen: Der gebürtige Spanier feierte bereits seinen 81. Geburtstag, sein 60-jähriges Bühnenjubiläum und er singt und singt. Weit mehr als hundert Rollen hat er drauf, Tenorrollen aber auch nach seinem Fachwechsel bereits jede Menge Baritonpartien. So auch die Titelpartie von Giuseppe Verdis „Nabucco“. Die Rolle konnte nicht besser für ihn gewählt sein: Ein alternder König ringt mit Machtverlusten. Jetzt sang er die Partie überhaupt erstmalig im Grazer Musikverein im ausverkauften Stefaniensaal in einer konzertanten Aufführung, die wegen eines Schwächeanfalls einer Musikerin (während der abgebrochenen Ouvertüre) dann nochmal erst verspätet beginnen konnte. Man mag zu Domingo stehen, wie man will, aber seine Bühnenpräsenz ist immer noch ungebrochen vorhanden. Er konnte den Nabucco intensiv gestalten, vor allem wenn er zum Finale den Gott Jehova anfleht, war dies ungemein berührend. Der Ausnahmesänger sang auch immer noch mit erstaunlicher stimmlicher Kraft. Auch blitzte in der Mittellage sein immer noch unvergleichliches, dunkles Timbre durch.
Ihm zur Seite war ein Ensemble von hoher Qualität aufgeboten: María José Siri schleuderte als Abigaille ihren lodernden Hass furchterregend heraus. Sie war aber durchaus auch zu lyrischen Tönen fähig. Markant und mit riesigem, manchmal fast zu lautem Volumen konnte man Marko Mimica als Zaccaria hören. Mit großer Innigkeit sang Marie Karall die Fenena. Francesco Pio Galasso konnte als Ismaele mit allen tenoralen Höhen und viel Schmelz punkten. Wunderbar homogen und reich schattiert erlebte man die Konzertvereinigung Wiener Staatsopern Chor (Einstudierung: Martin Schebesta), nicht nur mit dem populären Hit „Va, pensiero“, dem Gefangenenchor.
Der erst 25-jährige, gebürtige Italiener und in Wien ausgebildete Einspringer Gaetano Lo Coco am Pult der Slowenischen Philharmonie ließ diese sehr kultiviert und mit der nötigen Italianitá aufspielen.
Unbeschreiblicher Jubel und stehende Ovationen!
Dr. Helmut Christian Mayer
20. Juni 2022 | Drucken
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