Es war ein einzigartiges und noch nie dagewesenes Projekt in Österreich: In Ermangelung von Live-Auftritten vor Publikum wegen der Pandemie wurde Joseph Haydns erstes deutschsprachiges Oratorium „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ im Stream und TV, in ORF III als Karfreitagsbotschaft und Zeichen der Hoffnung ausgestrahlt. Gespielt wurde es aber nicht von einem, sondern gleich von neun unterschiedlichen Orchestern quasi als Botschaft aus allen österreichischen Bundesländern, die alle einen Teil übernahmen. Und alle machten mit! Aufgeführt wurde die ursprünglich von Haydn 1786 erdachte, reine Instrumentalkomposition. Die Version mit den Gesangstimmen dem Chor und den Solisten komponierte Haydn erst später, nämlich 1796. Das zu den bekanntesten und beliebtesten Werken von Joseph Haydn zählende Oratorium besteht aus lauter langsamen Sätzen und einem Terremoto (Erdbeben) zum Schluss. Es erklang passend am Karfreitag im Rahmen der Reihe „Wir spielen für Österreich“ an verschiedenen eindrucksvollen Austragungsorten.
Schmerz und Verzweiflung, aber auch Hoffnung und Dankbarkeit: Obwohl mit sparsamen Mitteln komponiert, ist die Vielfalt der Stimmungen, die man in diesem Oratorium erspürt, groß und tief. Durchaus ansprechend gelang es allen Orchestern diese Vielfalt an Emotionen zu vermitteln. Die lyrischen Reflexionen jenes zum Typ des empfindsamen Oratoriums zählenden Werks, bei dem es nicht um dramatische Erzählung, sondern um innere, geistliche Meditation geht, erklangen bei allen mitmachenden Klangkörpern in hoher Qualität und immer mit großem Feingefühl. Die Aufnahmen wurden jeweils von den jeweiligen mitwirkenden Klangkörpern in Eigenregie durchgeführt.
Und es begann in der Großen Aula der Universität in Salzburg mit dem Mozarteum Orchester Salzburg unter Riccardo Minasi, das die Introduktion doch etwas zu verhalten musizierte. Den ersten Satz, ein Largo „Vater vergib ihnen“ präsentierte das Bruckner Orchester Linz unter Markus Poschner im Musiktheater Linz nicht immer ganz intonationsreich aber immer sehr akzentuiert. Das Niederösterreichische Tonkünstler Orchester unter Wayne Marshall spielte sehr engagiert im Festspielhaus von St. Pölten den zweiten Satz „Fürwahr, ich sage es dir“. Die Reise wurde ganz im Westen fortgesetzt, wo das Symphonieorchester Vorarlberg unter dem besonders als Ausnahmegeiger bekannten Emmanuel Tjeknavorian am Pult den dritten Satz „Frau, hier siehe deinen Sohn“ aus dem Festspielhaus in Bregenz klangschön übernahm. Direkt aus der Grazer Oper musizierten die Grazer Philharmoniker unter Roland Kluttig ungemein sauber und klangschön den vierten Satz „Mein Gott, mein Gott“. Aus dem prachtvollen Konzertsaal – er gilt als einer schönsten der Welt - des Schlosses Esterházy ließ das ORF Radio Symphonieorchester Wien nur mit Bläsern besetzt, unter Marin Alsop die Introduktion zum zweiten Teil Nr. 2 hören. Exzellent führte das Kärntner Sinfonieorchester unter dem scheidendem Chefdirigenten Nicholas Carter den 5. Satz „Ach, mich dürstet“ aus dem leeren Stadttheater Klagenfurt auf. Aus dem Innsbrucker Haus der Musik wusste das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter dem jungen Dirigenten Kerem Hasan den sechsten Satz „Es ist vollbracht“ gekonnt erklingen zu lassen Bis schließlich als krönender Abschluss die Wiener Symphoniker unter ihrem neuen Chefdirigenten Andrés Orozco-Estrada den letzten Satz „In deine Hände“ und sehr effektvoll und furios das abschließende „Terramoto“ (Erdbeben) im Wiener Konzerthaus zum Besten gaben.
Chapeau für das gelungene Projekt, das filmisch vor dem Geburtshaus von Joseph Haydn im niederösterreichischen Rohrau begann und endete.
Dr. Helmut Christian Mayer
03. April 2021 | Drucken
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