Intensives Leiden und ausdruckstarke Leidenschaft bei Leos Janaceks "Jenůfa" an der Wiener Staatsoper

Xl_jenufa-wien-10-22-1 © Michael Pöhn

Mit einem hochgeschlossenen, völlig schwarzen, puritanisch wirkenden Kleid, aufrechten Ganges, unerbittlich und streng: So erscheint die Küsterin bei ihrem Auftritt und bereitet dem ausgelassenen Fest ein jähes Ende. Eliška Weissová spielt diese Partie. In der Wiederaufnahme von Leos Janaceks Jenůfa, eines der packendsten und genialsten Musikdramen des 20. Jahrhunderts, an der Wiener Staatsoper - die Premiere war im März 2002 - ist sie eine atemberaubende, intensive Küsterin. Sie singt sie kühl und scharf wie ein Diamant, hochdramatisch in ihren Ausbrüchen und mit wortdeutlichster Artikulation, weiß aber auch im letzten Akt die anderen Fassetten dieser Figur hervorzukehren.

Packend ist auch die Titelpartie besetzt: Erstmals singt sie Asmik Grigorian, eine Singschauspielerin ersten Ranges. Sie ist eine grandiose Jenůfa, manchmal lyrisch kindlich, dann wieder als große Verzeihende zu erleben. Und bleibt dabei immer völlig natürlich. Vor allem im Gebet und ihrem Schlussgesang weiß sie intensiv zu berühren. David Butt Philip ist ein höhensicherer und intensiver Laca mit strahlendem Tenor. Michael Laurenz singt den Števa mit Verve und Höhensicherheit. Die alte Buryia ist mit Margarita Nekrasova ebenfalls ideal besetzt.

Bei dieser Wiederaufnahme handelt es sich um eine Koproduktion mit der Janacek Oper Brno (Brünn), dem Uraufführungsort dieser Oper. Gespielt wird in Wien die sogenannte Brünner Fassung aus 1908, die nicht die vom Prager Dirigenten Karel Kovarovic geschaffenen spätromantischen Glättungen enthält. Gesungen wird in tschechischer Originalsprache. Für das tolle Gelingen dieser Produktion tragen auch Tomáš Hanus am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper teil: Gemeinsam liefern sie eine unglaubliche Farbenpracht, einen brennenden Spannungsreichtum und herrliche lyrische Bögen, die ihresgleichen suchen.

Regisseur David Pountney und Bühnenbildner Robert Israel haben dieser Oper aus dem mährischen Bauernleben des 20. Jahrhunderts alles an Realismus gelassen: Eine das gesamte Bühnenportal ausfüllende Mühle, deren Zahnräder ständig in Bewegung sind und die unabwendbare Unentrinnbarkeit symbolisieren im ersten Akt. Enge auch im mit Säcken vollgestopften Haus der Küsterin im zweiten. Im letzten Akt schließlich eine absolute Leere in jenem Raum, in dem die Tragödie ans Tageslicht kommt. In diesem stimmigen Ambiente hat David Pountney die Protagonisten, die der Zeit gemäß in entsprechende Kostüme gekleidet sind, scharf gezeichnet und präzise geführt. Ohne Überfrachtung werden die Geschichte und die Charaktere klar und einfach, verständlich und nachvollziehbar durch eine detailreiche, differenzierte Personenführung dem Publikum präsentiert.

Am Ende gab es großen Jubel für eine in allen Bereichen gelungene und stimmige Opernproduktion.

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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